Die San-Diego-Mission
sah die Sache so: »Lieutenant Snider meinte in solchen Fällen, er würde mit Manny sprechen. Im Grunde allerdings wollte er gar nichts Schlechtes über Manny hören. Er wußte, daß die BARF Squad ohne ihn nie das geworden wäre, was sie inzwischen war, nämlich die größte Publicitymaschine des Departments und der einzige Schutz, den die Grenzgänger hatten. Und vielleicht war Manny eine andere Seite von Burl Sniders Seele? Vielleicht war Burl Snider das Über-Ich und Manny das Es? Vielleicht.«
Ken Kelly gebrauchte häufig psychiatrische Begriffe. Wahrscheinlich kannte er sie aus erster Hand. Er hatte offenkundig immer mehr Ausfälle.
»Ich hatte das Gefühl, als ob alles kaum noch Sinn hätte«, sagte Ken Kelly später. »Robbie ging's genauso, wenn wir da stundenlang im Gestrüpp hockten und zuhörten, wie die Kaninchen und Coyoten und Skunks und Klapperschlangen um uns rumkrochen. Manchmal tauchten aus dem Nichts irgendwelche Leute auf und erschreckten uns zu Tode. Und sie guckten uns an, als ob wir besoffene Lumpensammler wären, und schienen sich zu fragen, ob wir vielleicht auf den nächsten Skorpionstich oder so was warteten.
Wenn wir irgendwo Gewehrschüsse hörten, wurden wir sofort ballaballa, weil wir nie wußten, was los war. Uns sagte doch nie einer Dankeschön, wenn wir Angst gehabt hatten. Genaugenommen fühlten wir uns total nutzlos. N Wunder ist es nicht, daß der arme Robbie Alkoholiker wurde.«
Und was wurde aus Ken Kelly mit seiner Frustration, dabei zu sein und doch nicht dabei zu sein? Die beiden jungen Männer, ein Schwarzer, ein Weißer, die wegen ihrer Hautfarbe nie dabei sein konnten, waren zwei Ladungen Nitroglyzerin, wie er selber sagte.
Zu dieser Zeit hatte ein Beamter aus dem Büro des District Attorneys gerade eine kleine Unterhaltung mit dem Leiter der Mordkommission bei den judiciales gehabt. Man hatte vermutet, daß die judiciales eine eigene Untersuchung über die Schießerei mit den Cops aus Tijuana durchführten. Und der Leiter der mexikanischen Mordkommission hatte dem Mann aus dem Büro des District Attorneys klipp und klar bestätigt, falls die mexikanischen Justizbehörden aufgrund der Untersuchungsergebnisse die Ausstellung von Haftbefehlen gegen Manny Lopez und seine Leute für gerechtfertigt halten sollten, würden die judiciales sicherlich alles daran setzen, diese Haftbefehle auch zu vollstrecken.
Natürlich war sich der mexikanische Gesetzeshüter durchaus im klaren darüber, daß er nicht einfach ins San Diego Police Department gehen, Manny und seinen Jungs Handschellen anlegen und sie zur Gerichtsverhandlung mit nach Mexiko nehmen konnte. Aber die Angelegenheit konnte jederzeit gefährliche Konsequenzen haben. Die judiciales waren derzeit verstärkt darum bemüht, auf der mexikanischen Seite der Grenze die Raubkriminalität einzudämmen, wie der Leiter der Mordkommission mitgeteilt hatte. Und es war jederzeit möglich, daß ihnen bei einer derartigen Gelegenheit die BARF Squad über den Weg laufen konnte.
Als der Beamte des District Attorneys gefragt hatte, ob es die judiciales ernsthaft in Erwägung ziehen würden, die Grenze zu überqueren und die Barfer in den Canyons zu kidnappen, hatte ihm der Leiter der Mordkommission schlicht und ergreifend geantwortet, sie würden von Fall zu Fall alles tun, was nötig sei.
Die BARF Squad wurde zwar über diese Entwicklung ins Bild gesetzt, aber es änderte sich nichts. Manny Lopez ließ seine Leute weiterhin auch südlich der Grenze operieren. Das Ganze führte zu manchen Sticheleien, die judiciales würden Manny an den Fersen aufhängen wie Mussolini oder dergleichen, aber so recht von Herzen lachte darüber niemand. Und immer mehr Barfer überlegten sich, ob sie nicht besser ihr Testament machen sollten.
»Im Grunde ist mir unser Job nicht spannend genug«, meinte Ken Kelly beim Appell zu Manny Lopez. »Weshalb melken wir in der Lunchpause nicht mal 'n paar Klapperschlangen oder holen den Taranteln einen runter?«
Eines Abends marschierten die Barfer durch den Drainagekanal in der Nähe der Monument Road und der Dairy Mart Road, nicht weit von der Stelle entfernt, wo sie Chuey Hernandez und seinen Kollegen niedergeschossen hatten. Der Kanal kreuzt ja die Grenze, und in der Regenzeit strömt das Wasser, das er nicht verkraftet, auf eine Weide bei Stewart's Barn, wo die illegalen Einwanderer bei ihren nächtlichen Grenzüberquerungen häufig Rast machen.
Ken Kelly und Robbie Hurt fragten sich nervös, wo genau
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