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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel hatte keiner der beiden seinen Vater gekannt. Carlos hatte seinen Vater zwar mal aufsuchen wollen, aber vor diesem Treffen starb der alte Mann und schlug Carlos am Ende sogar noch damit ein Schnippchen.
    Sie träumten: Michael, zum Beispiel, würde Jura studieren und Richter werden, Carlos Polizeichef.
    Auch Michael war von dem 375er Colt Python sehr begeistert, und Carlos ließ ihn Ziel- und Anschlagsübungen machen, so oft er wollte. Das Schießen mit der 375er Magnum war kinderleicht. Im allgemeinen nahm Carlos alle Geschosse aus der Trommel und tat sie in eine Schachtel, bevor sie ihre Ziel- und Anschlagsübungen machten.
    Es gibt kontroverse Darstellungen darüber, wie's dann passierte. Junge Leute, die schnelles Ziehen spielen? Carlos erklärte, er habe Ziel- und Anschlagsübungen gemacht. Wenn das stimmte, achtete er offensichtlich nicht auf die Zielscheibe, sondern nur auf die schöne Python. Er feuerte, wie er glaubte, ein imaginäres Geschoß ab. Aus dem Lauf der Python jedoch kam ein echtes.
    An die nächsten Sekunden erinnert sich Carlos Chacon sehr deutlich. Michael sank auf die Knie, man sah in seinen offenen, zerschmetterten Brustkasten. Zunächst gab er überhaupt kein Geräusch von sich.
    »Tut mir leid!« schrie Carlos Chacon seinem Freund zu. »Es tut mir leid!«
    Michael antwortete ihm nicht mehr. Schließlich fing er an zu stöhnen. Erst auf sein Stöhnen hin rannte Carlos zum nächsten Telefon.
    »Er ist tot«, erfuhr Carlos Chacon im Krankenhaus von einem Deputy Sheriff. Und das war's dann. Ein Schießunfall mit Todesfolge.
    Carlos begleitete den Coroner in das Haus des toten Jungen, der davon geträumt hatte, Richter zu werden. Carlos bestand darauf, Michaels Mutter die Nachricht selbst zu überbringen. Er sagte ununterbrochen: »Es tut mir leid!«, bis die schwarze Frau ihn in die Arme riß, und dann hielten sie sich aneinander fest und weinten laut.
    Carlos Chacon hatte einen anderen Traum. Es war ein unkomplizierter Traum, fast frei von Symbolen. In dem Traum sitzt Carlos am Rand eines sehr finsteren Waldes. Michael kommt aus dem Wald und begrüßt seinen Freund. Er sagt: »Wie geht's denn so? Mir geht's prima!« Sie reden über alle möglichen belanglosen Dinge, und Michael geht dann in seinen Wald zurück. Der Traum ist nicht schlimm, kommt aber immer wieder. Es ist fast immer genau dasselbe.
    Trotz dieses tödlichen Schießunfalls, dem Michael Clarence Jackson zum Opfer gefallen war, wurde Carlos Chacon zwei Jahre später vom San Diego Police Department eingestellt. Er war noch in der Probezeit, als er von Dick Snider und Manny Lopez gefragt wurde, ob er Lust habe, bei ihrer Grenztruppe mitzumachen. Er sagte begeistert ja.
    Zur Erinnerung an seinen toten Freund wollte Carlos Chacon seinen ersten Sohn Michael nennen. Seine Schwäche für Schußwaffen indessen hatte er nach wie vor. Vor allem hatte Carlos Chacon zahllose Träume von Gewalt.

 

    3. KAPITEL
    Die Outsider
    R obbie Hurt war fünfundzwanzig und mit weniger als einem Jahr Dienstzeit beim Department noch Polizist auf Probe. Zunächst hatte er nicht genau gewußt, ob er sich freuen sollte, als er zur Southern Division versetzt wurde. Man war recht einsam da draußen, weil man durch die Städte National City und Chula Vista vom eigentlichen Stadtgebiet San Diegos ziemlich abgeschnitten war. Auf der anderen Seite arbeiteten hier nur acht bis zwölf Männer pro Schicht. Das bedeutete, daß er mehr war als nur eine Nummer, ganz im Gegensatz zu einigen seiner Kameraden von der Polizeiakademie, die zum Central Headquarter abkommandiert worden waren und sich darüber bitter beklagten. Außerdem gab's in der Stadt sicherlich keine Lieutenants wie Dick Snider.
    »Wenn man als Cop seine Pflicht tat, konnte man hervorragend mit ihm klarkommen«, meinte Robbie Hurt. »In der Stadt hätte man mit seinen Vorgesetzten nie so reden können wie mit ihm. Und dann sagte er mir, ich solle mal einen kleinen Spaziergang mit ihm machen.«
    Eines Abends, noch vor der Gründung der Task Force, zogen Robbie Hurt und Dick Snider die Dienstklamotten aus, steckten nur die Dienstrevolver locker in den Gürtel und bummelten zum Deadman's Canyon.
    Dick Snider war erstaunlich offen zu ihm, wie sich Robbie Hurt erinnert. Er sagte seine Meinung; er war frustriert. Der Anfängercop stand neben seinem großen Lieutenant, sah, wie er lange auf die abendlichen Lichter Tijuanas blickte, und hörte zum erstenmal von seiner fixen Idee, die

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