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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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umgelegt, die je auf meinem Motorrad gesessen haben. Als ob ich da ''n Tricksitz gehabt hätte! Dabei bin ich ''n verheirateter Mann und hab drei Kinder. Bloß, weil ich Motorradfahrer bin, haben sie mir das dauernd nachgesagt und diesen Namen gegeben: King Kelly.«
    In einem bestimmten Restaurant nicht weit von der Southern Substation gab es ein paar bestimmte Kellnerinnen. Auch ihnen hatten die Cops ganz spezielle Namen gegeben: Fat Mindy. Thin Mindy. Lana Banana. Zwei oder mehr Kellnerinnen hatten regelmäßig Lust, nach Feierabend noch einen draufzumachen und in einen nahegelegenen Park mitzukommen, der zum Gedenken an die ersten Gleitflüge von anno dazumal, bei denen sich einige Teufelskerle zehn oder zwanzig Meter hoch in die Lüfte erhoben hatten, The Wing hieß. Die Cops und Kellnerinnen tranken Bier in diesem Wing-Park, bemitleideten sich gegenseitig, was ihre Arbeit anbelangte, stellten fest, daß die Mehrzahl aller Leute sowieso blöd ist, und erhoben sich dann sehr rasch ohne alle Gleithilfsmittel zehn- oder zwanzigtausend Meter hoch in die Lüfte.
    Eines Abends unternahm King Kelly eine Spritztour auf seiner röhrenden 550er Honda, mit einem Blutalkoholspiegel von ungefähr 1,8 Promille, wie er selbst glaubt, und seine Beifahrerin, Lana Banana, war womöglich noch betrunkener. Jeder fand diese Honda und den grellorangefarbenen Schutzanzug, den Kelly dazu trug, prima. Es war eine Freude, wenn man sah, wie die Honda über die Piste beim Stützpunkt Otai Mountain brauste. Ausgerechnet mit diesen 1,8 Promille probierte King Kelly aus, welche Spitzengeschwindigkeit sie hatte: hervorragende 180 Kilometer pro Stunde. Das war allerdings wirklich nur ohne Schutzbrille und Schutzhelm zu schaffen – und wenn man 1,8 Promille hatte.
    »Wenn du mit hundertachtzig auf die Schnauze fällst«, erklärte er, »gibt's nur noch Funken, und um Koma und kaputtes Rückenmark und Querschnittslähmung und Dauerschäden im Hirn brauchste dich nicht mehr zu kümmern.«
    Das Gefühl dabei war irrsinnig. Der Abendwind war mehr als kalt, und Lana Banana steckte die eiskalten Hände in seinen orangefarbenen Schutzanzug, als ein Kaninchen aus dem Gebüsch rannte und im Lichtbündel der Scheinwerfer wie erstarrt stehenblieb.
    Ken Kellys letzter Gedanke war: Wir donnern gegen ein Kaninchen mit hundertachtzig. Meine Frau flippt aus, denn wenn ich noch so unschuldig bin, werden sie uns wahrscheinlich finden, wie sie noch die Hände in meiner Hose hat und sich an meinen Eiern wärmt. Das Hinterrad rutscht mir gleich weg, und wir sind hin. Tschüs.
    Immerhin, er riß den Lenker gerade noch rum, wobei die Maschine bei dieser Irrsinnsgeschwindigkeit allerdings brandgefährlich ins Schleudern kam.
    »Gib mehr Gas! Gib noch mehr Gas!« kreischte Lana Banana, die hinterher dieses Schleudern als ein Gefühl beschrieb, als laufe gerade der wirklich allergrößte Vibrator der Welt auf höchsten Touren.
    Und dank der Alkoholmenge in seinem Körper waren seine Reaktionen derart langsam, daß er das brandgefährliche Schleudern, bei dem sich ein nüchterner Mann zu Tode gefahren hätte, in den Griff kriegte. Lana Banana sagte, es sei eine irrsinnig geile Tour gewesen, mit einem japanischen 550ccm-Kunstschwanz, genau das war's gewesen. Und von da an war Ken Kelly ihr Prinz! Nein, eben ein King!
    Er war ein stämmiger blonder Typ mit glatten, dichten Haaren, die flach nach hinten gekämmt waren, aber ihm andauernd über die Ohren fielen. Nach etlichen Drinks zuviel pflegte er sein Haar mit den Handflächen zurückzustreichen und dicht an den Kopf zu pressen und mit seinen wasserblauen Augen in die Gegend zu blinzeln. Seine Art und Weise, Jack Nicholson nachzumachen. Nur sah der Schauspieler Jack Nicholson nie so verrückt aus wie Ken Kelly, nicht in seinen exzentrischsten Rollen, wenn Ken Kelly seinen Wahnsinnsschrei losließ: »Sex! Drogen! Rock 'n' Roll!«
    Er galt allgemein als recht talentierter Cop. Er war intelligent und mutig und sprach ein farbiges, allgemein verständliches und grammatikalisch einwandfreies Englisch. Ken Kelly wollte unbedingt der neuen Task Force beitreten. Er war achtundzwanzig, hatte mit seinen sechs Dienstjahren als Cop eine Menge Polizeierfahrung und kannte die Canyons außerdem besser als alle anderen. Von Kindheit an bis zu dem Zeitpunkt, an dem er vom San Diego Police Department eingestellt worden war, hatte er im Spring Canyon und im Norden von Airport Mesa Tauben gejagt, manchmal sogar im Deadman's Canyon oder in

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