Die San-Diego-Mission
auch nur ganz kurz, als Grenzgänger gefühlt hatte. Als einer, der sich von allen Seiten bedroht fühlt. Der sich sogar von miesen Typen, die schnell ein paar schäbige Dollar verdienen wollen, anmachen lassen muß.
Diese Festnahme galt nur als »Verdachtsfall«. Die Ganoven hatten noch kein Geld gefordert. Sie kriegten keine Anklage wegen Raubes angehängt und wurden am nächsten Tag freigelassen. Das Ganze war im Grunde unbedeutend, bewies allerdings, wie gut sie im Ernstfall als Grenzgänger durchgehen konnten. Bemerkenswert war immerhin auch das seltsame Gefühl, das sie gehabt hatten, als sie sich mit ihrer Rolle identifizierten. Sie baten Dick Snider, ihnen umgehend Mitgliederausweise der Schauspielergewerkschaft zu besorgen.
Am nächsten Abend zogen sie wieder los. Zwei Männer, vermutlich Schmuggler, boten den Pollos für hundert Dollar eine Mitfahrt nach Los Angeles an und wurden wegen Verletzung des kalifornischen Strafrechts in puncto Gewerbefreiheit festgenommen: wegen des Angebots, ohne Lizenz einen entgeltlichen Personentransport angeboten zu haben. Wieder nichts Großes, aber Grenzgängerverkleidung und schauspielerische Fähigkeiten hatten abermals funktioniert.
Innerhalb der nächsten Tage zogen sie in Gruppen von drei und mehr Leuten los und wurden von zahlreichen Straßengaunern zwischen dreizehn und neunundzwanzig angemacht. Man bedrohte sie mit Messern, Totschlägern, Steinen und Schraubenziehern, und man forderte sie auch auf, Geld rauszurücken. Einige dieser mexikanisch-amerikanischen Straßentypen hatten abzuhauen versucht, und ein paar hatten's geschafft. Normalerweise wäre es leicht gewesen, sie festzunehmen. Der Lockvogeljob war jedoch eine Sache für sich.
Es gab jetzt schon jede Menge Witze, beispielsweise, wer denn wohl der nächste Robert De Niro sein würde. Dann jedoch waren sie so weit, auf Tournee in die Canyons zu gehen, wo die echten Gangster auftraten, die Banditos von der anderen Seite der Grenze, deren Opfer oft genug in den Mesquitesträuchern verrotteten.
Jetzt schon gab es bei ihnen eine Art Klassenstruktur. Im derzeitigen Stadium des Experiments gab es drei Erstbesetzungen. Die eine bestand natürlich aus Manny Lopez, Tony Puente und Eddie Cervantes. Tony Puente gehörte zu den Männern mit der größten Polizeierfahrung. Eddie Cervantes, der kleinste, war der draufgängerischste und sprachgewandteste. Er stammte aus Texas und sprach »Tex-Mex-Englisch« mit kaum merklichem Akzent. Er war mit Spanisch aufgewachsen und beherrschte es fließend.
Das vierte Mitglied ihres »Ensembles«, wie sie sich inzwischen schon nannten, wechselte. Manny Lopez wollte den anderen zumindest die Chance geben, sich als »Zweitbesetzung« mit dem Ensemble einspielen zu können. An diesem Abend war Carlos Chacon dran, und schon sehr rasch sollten seine ungewöhnlich ausdrucksvollen Augen dreimal so groß werden wie die Mündung des Schrotgewehrs, das er unter der Jacke trug. Und bei Manny Lopez kroch das von seiner rechten Augenbraue gebildete komische Fragezeichen über die kahl werdende Stirn hoch bis fast auf den Schädel. Das lag daran, daß ein Gangster aus Tijuana seine Antrittsvorstellung gab.
Nach Einbruch der Dämmerung war das Ensemble zu seiner neuen Art von Fußstreife auf der Hochebene aufgebrochen, immer parallel zum Grenzverlauf zwischen dem Flughafen von Tijuana und dem Deadman's Canyon. Sie befanden sich gut hundert Meter von der Grenzlinie entfernt und gingen nach Westen. Sie waren angespannt, nervös und wachsam, aber nicht direkt ängstlich. Es war die erste Nacht, in der sie sich als Pollos in den Canyons versuchten, sie hatten aber bereits genügend Selbstvertrauen, um mit den Gruppen von nach Norden marschierenden echten Pollos zu reden. Manny Lopez und Eddie Cervantes vor allem konnten dabei jeden zum Narren halten. Meistens redete Manny. Tony Puente sprach so schlecht Spanisch, daß Manny ihm befohlen hatte, die Klappe zu halten. Carlos Chacon trug das abgesägte Schrotgewehr derzeit unter der ältesten und dreckigsten Jacke, die er besaß.
Das eigentlich Bemerkenswerte an diesem ihrem ersten Abend passierte dicht am Flughafen Tijuana. Die vier Cops trotteten wie eine Herde mutloser Grenzgänger dahin, als sie direkt vor Einbruch der Nacht auf einer unbefestigten Straße südlich der Grenze ein blau-weißes Auto der Stadtpolizei von Tijuana beobachteten. Cops waren nicht drin. Die Cops waren hinter ihnen und sprachen über den Grenzzaun hinweg mit drei
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