Die San-Diego-Mission
im Grunde nur über zwei Dinge geredet: das stets zuverlässige gemäßigte Klima und die San Diego Chargers. Und es werde nur noch über das Wetter geredet, wenn die Footballsaison zu Ende sei.
San Diego ist in der Tat ein malerischer Ort, nahezu perfekt für die Armeen der Jogger, die hier ihr Hauptquartier haben. Aber in einigen Punkten scheint die Kurortmentalität jeglicher Vernunft zu spotten und alles zu durchdringen, einschließlich der Polizei. Es ist dann beinahe so, als wäre die Stadt tausend Meilen von Baja Peninsula entfernt, der mexikanischen Halbinsel, dem Eingangstor aller lateinamerikanischen Länder mit ihren Millionen von Habenichtsen. Als Tony Puente, zum Beispiel, beim Police Department angeheuert hatte und zur Außenstation an der Grenze versetzt wurde, war Manny Lopez da draußen der einzige andere Amerikaner mit mexikanischer Herkunft. Wenn man Dick Snider dazunimmt, waren das also ganze drei, die Spanisch sprachen, und Tonys Spanisch war außerdem nur minimal.
Aber das war eigentlich noch gar nichts, verglichen damit, wie es in den schlechten alten Zeiten war. Manuel Smith, einer jener Cops, die beim Police Department als »mexikanischer Verbindungsbeamte« arbeiteten, erinnert sich, wie es tatsächlich war. Er war an dem Abend, als der mexikanische Einwanderungsbeamte Luis Tamez von Manny Lopez niedergeschossen wurde und überlebte, seit exakt einundzwanzig Jahren Cop. Die Familiennamen von Manuel Smith und seinem Partner Ron Collins waren für die Angehörigen des Departments ein Gegenstand immerwährenden Staunens, weil sie beide von Mexikanern abstammten. Manuel Smiths Vorfahre, James Wilcox Smith, war 1810 aus England auf die Baja Peninsula gekommen, hatte nach seinem Übertritt zum Katholizismus ein mexikanisches Mädchen geheiratet und war geblieben. Baja Peninsula wimmelt von Mexikanern mit angelsächsischen Familiennamen: Collins, Johnson, Blackwell, Simpson, Smith.
Manuel Smith war in San Diego in zweiter Generation Polizist, und er hatte sowohl überall auf Baja Peninsula als auch in der Gegend beiderseits der Grenze zahlreiche Verwandte. Er war ein kluger, umgänglicher Cop mit lockigem Haar und großen weißen Zähnen. Und er war groß und schwer – viel fehlte nicht, und Greenpeace hätte ihn wie die Wale unter Naturschutz gestellt. Sein Partner, ein ehemaliger Football-Spieler, war ebenfalls so groß, daß die beiden innerhalb von etwa zwei Wochen regelmäßig die Stoßdämpfer eines Plymouth kaputtkriegten. Gemeinsam wogen sie sicherlich nicht viel weniger als fünfhundert bis sechshundert Pfund. Alle sagten, wenn man die beiden in der Marinebasis von San Diego aneinanderbände und zu Wasser ließe, könnte man ohne weiteres den US-Flugzeugträger Enterprise einmotten.
Beide Cops standen im Rang eines Patrolman, wobei Ron Collins zwar schon länger Verbindungsbeamter war, Manuel Smith aber wegen seiner unglaublich vielfältigen Verbindungen südlich der imaginären Linie im allgemeinen als Wortführer galt. Er hatte einen Vetter bei den judiciales und ebenso einen bei der städtischen Polizei. Wenn man ihm bei seiner Arbeit bloß zuguckte, bekam man einen überaus nachhaltigen Eindruck. Manuel Smith konnte nie über die Grenze fahren, ohne ein kurzes Päuschen einzulegen und mit den mexikanischen Grenzbeamten zu schwatzen, die normalerweise nach Süden fahrende Polizeiautos nur dann stoppten, wenn sie ein paar Eintrittskarten für das Polizeirodeo in der städtischen Stierkampfarena zu schnorren beabsichtigten.
Wann immer er im Hauptquartier der judiciales aufkreuzte, war es, als ob der Weihnachtsmann eingetroffen sei. Die Cops von Tijuana mußten ununterbrochen mit tausend Problemen fertig werden, deren Lösung eigentlich nur aus dem Norden kommen konnte. Darunter waren menschliche Probleme, etwa, wenn Leute bei der Beschaffung von Geburts- und anderen persönlichen Dokumenten Hilfe brauchten, des weiteren Einwanderungsprobleme, Versicherungsprobleme, Beschäftigungsprobleme. Darunter fielen auch berufliche Dinge, beispielsweise die ununterbrochene Suche der mexikanischen Cops, die keinerlei Zugang zu Computern hatten, nach Informationen. Darunter fiel nicht zuletzt auch die Notwendigkeit, daß im Zusammenhang mit Personen, die nach Süden gezogen waren, um dort Geschäfte zu machen, legale oder auch illegale, immer wieder über beschlagnahmtes Eigentum entschieden werden mußte. Die mexikanischen Behörden hatten jedenfalls immer unter einem Informationsdefizit zu
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