Die San-Diego-Mission
diese Weise ausprobierte, wie laut der verwundete Gangster schreien konnte, ereignete sich im Deadman's Canyon wieder mal ein Wunder. Der buchstäblich in Stücke geschossene Gangster, der quer über Fred Gil lag, redete. Er sagte: »Hiiilfe!«
Sie konnten's nicht fassen. Carlos Chacon sagte: »Er lebt! Die sind ja nicht totzukriegen!«
Bis der Hubschrauber des Sheriffs, der wie eine der alten Militärmühlen aussah, endlich auf halbwegs festem Boden gelandet war, kümmerte sich Manny Lopez insofern um den Gangster, daß er ihn tot zu reden versuchte, bevor man ihn abtransportieren konnte. Manny sagte ihm folgendes: »Du Dreckskerl, du hast meine Jungs umgelegt! Du Drecksau krepierst! Du hast ne Million Löcher im Körper! Du verblutest!« Dann sah Manny über seine Schulter hinweg, daß sich die Beamten des Sheriffs näherten, gab dem Gangster, der wohl kaum einen Hammerschlag gespürt hätte, einen Klaps und sagte: »Hör zu, du Arschloch! Du krepierst! Verdammt, steh auf!«
Der Mann war so zusammengeschossen worden, daß später aus seinem durchlöcherten Körper ein Projektil einfach ins Krankenhausbett fiel. Aber er starb nicht. Er erschien eines Tages im Gerichtssaal und sah fürchterlich aus. Von der Taille aufwärts trug er ein Gipskorsett, und sein zerschmetterter Arm war geschient und wies ohne die Finger, die im Deadman's Canyon für die Hunde liegengeblieben waren, nach oben. Zum Schluß kriegte er mehrere Jahre, und Carlos Chacon versuchte, ihn so weit zu kriegen, daß er für ein Erinnerungsfoto fürs Sammelalbum posierte.
Die Detectives der Mordkommission waren nicht gerade davon begeistert, daß sie raus in die verdammten Canyons mußten, in denen sie kaum jemals was zu tun gehabt hatten, als sich Dick Snider seine blöde BARF-Idee noch nicht zusammengeträumt hatte. Man hörte sie in der Dunkelheit rummeckern: »Ihr Burschen macht uns mehr Ärger, als ihr wert seid!«
Und wer hätte es ihnen übelnehmen können? Es ist wirklich nicht komisch, den Tatort und Beweise zu sichern, während eine Bande Halbstarker sich einen Riesenspaß daraus macht, die Gringos mit angezündeten Autoreifen in Brand zu stecken. Und auf englisch mit Beleidigungen rumzuschmeißen wie beispielsweise: »Ihr Arschficker!«
Bei den Untersuchungen der Detectives stellten sich noch in der Nacht zwei interessante Dinge heraus: zum einen, der Gangster Morales hatte gar keine echte Kanone besessen. Seine Waffe war eine Startpistole, und die anderen Gangster würden es sich bestimmt hinter die Ohren schreiben, daß es in diesen Tagen immer gefährlicher wurde, Raubüberfälle mit Spielzeugkanonen zu verüben. Und zum anderen, höchstwahrscheinlich war Carlos Chacon derjenige gewesen, der sowohl Joe Castillo als auch Fred Gil verwundet hatte, als er über dieses Bachbett zu schießen versuchte. Joe Castillos Verletzung war ein Durchschuß, und das Projektil wurde nicht gefunden. Das Projektil, das in Fred Gils Körper steckte, sollte dort nach Meinung der Chirurgen am besten bleiben, so daß es ebenfalls nie zutage gefördert wurde. Aber alles wies darauf hin, daß Carlos Chacon der Schütze gewesen war.
Fred Gil tat es mit einem Achselzucken ab und nannte Carlos spaßeshalber »Copkiller«.
Und Carlos revanchierte sich damit, daß er ihn »Eisenhüfte« oder »Bleiarsch« nannte.
Joe Castillo allerdings war nicht zu Späßen aufgelegt. Er behauptete, Carlos Chacon sei schießgeil und gefährlich. Joe Castillo würde die rechte Hand nie mehr so gebrauchen können wie früher, und er fing an, Carlos Chacon zu hassen, weil er ihn angeschossen hatte.
Eine Sache, die im Endeffekt alle Barfer haßten, ereignete sich noch in derselben Nacht. Die Nachrichtensender von San Diego unterbrachen ihr reguläres Programm und kündigten fast atemlos an: »Schwere Schießerei an der Grenze! Filmbericht folgt um elf!«
Daraufhin wurden zehn Ehefrauen verständlicherweise sofort halb wahnsinnig, und in der Southern Substation spielten die Telefone verrückt, obgleich natürlich niemand irgendwas Verbindliches sagen konnte, bevor nicht alle Betroffenen aus den Canyons zurück waren. Am Ende haßten auch die BARF-Frauen die Durchsage, die sie für alle Zeiten bis in ihre Alpträume verfolgen sollte, wie die Pest: »Schwere Schießerei an der Grenze! Filmbericht folgt um elf!«
Der Streifenbeamte, der in dieser Nacht die Ambulanz fuhr, war Ken Kelly. Von der Stelle aus, an der Ken Kelly einsatzbereit parken mußte, hörte und sah man in der
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