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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Im selben Moment war sie auf den Beinen, rannte aus dem Badezimmer hinaus in den Flur. Instinktiv ergriff sie ihre lacke und flüchtete ins Treppenhaus.
    »Hilke, halten Sie an, machen Sie es nicht noch schlimmer…« Sie hatte Gronewoldt überrumpelt, er war mit seinem massigen Körper nicht so schnell wieder hochgekommen, doch jetzt kam er aus der Wohnung gestürzt, blieb nur kurz stehen, um sie erneut zu rufen, doch dann musste er gemerkt haben, dass sie nicht mehr auf ihn hören würde.
    »Scheiße«, fluchte er und dann hörte sie seine schweren, aber verdammt schnellen Schritte über sich.
    Noch vierzig Stufen, sie zählte mit. Sie konnte rennen, sie konnte flüchten. Ihr Atem ging schnell, aber sie blieb nicht stehen, jetzt kam es drauf an. Noch zwanzig Stufen. Seine Schritte wurden langsamer, sie hörte ihn keuchen wie ein Tier, er würde sie nicht einholen. Noch zehn Stufen. Da sah sie ihn, ihr Mann Thore stand am Fuß der Treppe.
    »Schatz, was ist los, ist der Teufel hinter dir her?« Er lächelte und schien sie auffangen zu wollen, es sah aus wie Wer-kommt-in-meine-Arme, noch fünf Stufen. Sie sprang. Wie eine Wildkatze stieß sie sich von der Stufe ab und riss ihn mit voller Wucht nieder. Nur kurz lag sie auf ihm, biss sich irgendwo fest, fühlte seine Haut unter ihren Fingernägeln, dann rammte sie das Knie in seinen Bauch, er jaulte auf, sie schnellte herauf und trat ihm mit dem einen Fuß direkt ins Gesicht, mit dem anderen setzte sie zum Schritt an und fand auf seinen Schultern den Absprung nach vorn. Sie war schnell, sie sah aus den Augenwinkeln Gronewoldt am Treppenabsatz auftauchen, aber da war sie schon fast an der Tür. Sie sah ihre Chance, ihre einzige Chance, und rannte weiter, kopflos, atemlos, aber verdammt schnell.
     
     
    Irgendeine Sorte Fisch rollte sich wie die Schaumkrone einer Welle über einen spiegelglatten See aus Sauce, duftende Kräuter schwammen darin und suchten den rettenden Tellerrand, schauten hinüber zu den kleinen Kartöffelchen, die glatt und gelb in einer silbernen Extraschale lagen.
    Wencke mochte eigentlich keinen Fisch, doch diesen hier wollte sie probieren. Er hatte nichts zu tun mit dem faserigen Seelachsfilet, das sie freitags in der Präsidiumskantine serviert bekamen.
    »Mit schönem Gruß aus der Küche«, sagte der große, hagere Kellner, der ihnen in der Ecke hinter den großblättrigen Palmen einen Tisch gedeckt und das Essen aufgetragen hatte. Irrte sich Wencke oder umspielte tatsächlich ein vielsagendes Lächeln seine schmalen Lippen?
    »Guten Appetit soll ich wünschen, vom Chefkoch persönlich, wenn Sie mir erlauben.«
    Meint hatte schneller Platz genommen, als es sonst seine Art war. Er schien so langsam Gefallen daran zu finden, in einem Luxushotel zu ermitteln. Zugegeben, dieser sonnige, mediterrane Wintergarten, den sie heute Morgen zu ihrem Arbeitsplatz umfunktioniert hatten, hatte eher mit einem Strandcafé auf einer spanischen Insel Ähnlichkeit als mit den kargen Räumlichkeiten, in denen sie sonst ihre Zeugen vernahmen. Ihre Papiere sammelten sich auf der glatten Marmoroberfläche der Caféhaustischchen, an den Wänden, wo sonst schwarzweiße Fahndungsbilder auf mintgrüner Rauhfaser klebten, hingen hier edle Holzrahmen, gefüllt mit abstrakter Kunst, die es wert war, gezeigt zu werden. Doch so fürstlich die Umgebung war und so königlich das Essen, welches sie sich nun zu Gemüte führten, so kläglich waren die bisherigen Gespräche verlaufen.
    »Du schwenkst schon um zur schlechten Laune, stimmt’s?«, fragte Meint, der seine malerischen Kartoffeln recht unsanft platt drückte und mit der Sauce vermengte.
    »Ich lass mich halt nicht gern hinhalten, sei es mit Höflichkeitsfloskeln, mit Schmeicheleien oder mit so einem Essen wie diesem hier.« Sie stach mit der Gabel in das weiße Fleisch, und es zerfiel butterweich und locker, sodass sie tatsächlich das Verlangen spürte, sich den Fisch auf die Zunge zu legen. Er schmeckte mild und sahnig, er schmeckte köstlich.
    »Überleg doch mal, wir haben heute fünf Stunden lang versucht, etwas über Ronja Polwinski zu erfahren. Wir haben mit sieben Leuten hier gesprochen, die alle jeden Tag Seite an Seite mit dieser Frau gearbeitet haben, und trotzdem kann ich mir immer noch kein Bild von der Person machen, die sie gewesen ist.«
    »Ich hatte den Eindruck, dass sie sehr geachtet war. Nimm doch mal diese Dünne mit den Sommersprossen von der Rezeption, diese Mareike Warfsmann, sie hat doch gesagt,

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