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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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dessen Kopf man sehen konnte, aber nicht den Schwanz. Ein paar Arbeiter hantierten mit Werkzeugen entlang der Trasse. Man vernahm lautes Hämmern. Aus den Bauhütten drang milchigweißer Rauch. Der General meinte, den Geruch von gebratenem Fleisch wahrzunehmen.
    Als sie noch etwa einen Kilometer von den Bauhütten entfernt waren, drehte General Yue sich nach seinen Männern um. Die Ordnung der Trupps und Kompanien hatte sich aufgelöst, und er sah nur einen chaotischen Haufen hinter sich. Durch die Felder gab es keine ordentlichen Wege, daher waren ihre Füße voller Schmutz und Schlamm. Unbeholfen wie die Schwarzbären wateten sie durch den Matsch. General Yue hieß Sun Wukong und Zhu Baijie langsamer zu gehen und gebot dem Tambour Ai Hu Einhalt. Er wartete, bis alle mehr oder weniger aufgerückt waren und befahl: »Kinder, schüttelt den Dreck von euren Füßen und macht euch bereit zum Angriff!«
    Die Leute schüttelten den Matsch von ihren Füßen ab, doch einige beförderten den Dreck dabei direkt in die Gesichter ihrer Kameraden und lösten ein großes Durcheinander aus. Einige zappelten in ihrem Übereifer so kräftig, daß sie sich gleich ihrer Schuhe mit entledigten. Der General sah den entscheidenden Augenblick gekommen und rief: »Köpfe aus Eisen, Körper aus Eisen, Mauern aus Eisen: Nehmt eure Waffen zur Hand. Offiziere, Männer, greift an, reißt die Schienen aus, tötet die ausländischen Soldaten, sichert den Frieden für eure Kinder und Kindeskinder!«
    Mit diesen Worten riß er seinen Stock hoch und stürmte unter lauten Schlachtrufen voran. Sun Wukong und Zhu Bajie rannten ihm fahnenschwenkend hinterher. Der kleine Ai Hu fiel vornüber in den Dreck und verlor seine Schuhe, die im Matsch steckenblieben. Als er wieder auf die Beine kam, bekam er in der Eile seine Schuhe nicht mehr heraus und rannte barfuß weiter. Die übrigen verfielen in lautes Kampfgeschrei und bewegten sich wie ein Schwarm Hornissen auf die Bauhütten zu.
    Die Arbeiter, die gerade an der Strecke beschäftigt waren, meinten erst, sie hätten es mit einer Theaterkompanie zu tun. Doch als die Meute näher kam, begriffen sie, daß es sich um eine Bauernrevolte handelte. Sie ließen alles stehen und liegen, nahmen die Beine in die Hand und machten, daß sie fortkamen.
    Eine kleine Gruppe deutscher Marinesoldaten war zur Bewachung dieses Streckenabschnitts abkommandiert, insgesamt zwölf Mann. Sie waren gerade beim Essen, als sie von außen die Schlachtrufe hörten. Ihr Befehlshaber ging hinaus, um nachzusehen, und begriff sofort den Ernst der Lage. Er wies die Männer an, schnell zu den Waffen zu greifen. Als der Mob unter Oberbefehlshaber Yue kurz vor den Baracken angelangt war, stellten sich die deutschen Soldaten ihnen bereits mit den Schußwaffen in der Hand entgegen.
    General Yue sah den Rauch aus den Gewehren der auf einem Bein knienden Soldaten aufsteigen. Er hörte, wie die Schüsse neben seinem Ohr krachten und hinter ihm jemand vor Schmerz aufschrie. Doch er nahm sich nicht die Zeit, sich umzudrehen und kam nicht dazu, lange nachzudenken. Er fühlte sich wie ein Boot, das von einer heftigen Flutwelle nach vorn geschleudert wird und landete mitten in einer der Baracken der Deutschen, ohne mit den Füßen den Boden berührt zu haben. In der Mitte des Raums stand ein großer Tisch. Auf dem Tisch befanden sich eine Schale Schweinefleisch und eine Reihe glänzender Messer und Gabeln. Der Duft des Schweinefleischs drang ihm in die Nase. Einer der deutschen Soldaten hatte sich unter ein Bett geflüchtet, unter dem seine langen Beine hervorsahen. Zhu Bajie versetzte ihm einen ordentlichen Hieb mit seiner Mistgabel, woraufhin der Soldat ein unverständliches Geschrei ausstieß, das klang, als ob er nach Vater und Mutter riefe. Der General lief wieder hinaus, den kreuz und quer fliehenden Soldaten nach, die zum größten Teil in Richtung Bahndamm rannten. Seine Männer stürmten mit lautem Geschrei hinterher.
    Ein einzelner Soldat rannte in die entgegengesetzte Richtung. Der General machte sich mit Ai Hu an seine Verfolgung. Der andere war nicht besonders schnell und der Abstand zwischen ihnen wurde rasch geringer. Seine langen Beine, auf denen er tolpatschig wie auf zwei Krücken voranstolperte, waren ein komischer Anblick. Plötzlich verschwand der Soldat in einem Bewässerungskanal, der zu dieser Zeit noch nicht geflutet war. Eine blaue Rauchsalve stieg auf. Ai Hu, der vorneweg gerannt war, machte plötzlich einen Satz und fiel

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