Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
unseren Oberbefehlshaber zu verüben. Der Himmel jedoch stand uns bei, und Seine Exzellenz Yuan blieb unversehrt. Der Verbrecher Qian hat seinen Vorgesetzten angegriffen, er hat sich der Rebellion und des Hochverrats schuldig gemacht, er ist bis ins Mark verdorben und zeigt keine Reue. Nach dem Gesetz unserer großen Dynastie wird, wer sich der Häresie gegen einen vom Hof bestallten hohen Beamten schuldig macht, zum Tode durch die Zerstückelung in fünfhundert Teile bei lebendigem Leib verurteilt. Das Urteil wurde bereits dem Justizminister zur Zustimmung vorgelegt. Dieser hat es bestätigt und einen erfahrenen Henker zu seiner Durchführung nach Tianjin entsandt ...«
Zhao Jia spürte, wie sich alle Blicke auf ihn richteten. Daß ein Henker eigens aus der Hauptstadt entsandt wurde, um eine Hinrichtung zu vollstrecken, war nicht nur in der Geschichte der Qing-Dynastie, sondern in der ganzen Geschichte des Kaiserreichs ohne Beispiel. Aus diesem Grund fühlte er die Verantwortung besonders schwer auf seinen Schultern lasten und war von Furcht erfüllt.
Nachdem Zhang Xun das Urteil verlesen hatte, legte Yuan Shikai seinen Fuchspelz ab, erhob sich und ließ seinen Blick über die moderne Armee schweifen. Dann begann er zu reden. Die Kapazität seiner Lungen war enorm, jedes seiner Worte dröhnte wie ein Paukenschlag: »Brüder, seit vielen Jahren schon befehlige ich diese Truppen und ihr Soldaten seid für mich wie Söhne. Jeder Mückenstich, den ihr abbekommt, tut mir in der Seele weh. Ihr alle wißt das. Niemals hätte ich geglaubt, daß ein Mann wie Qian Xiongfei, der höchstes Ansehen bei mir genoß, sich zu einem Attentat gegen euren General erheben könnte. Ich bin zutiefst erschüttert, doch noch mehr bin ich davon enttäuscht ...«
»Brüder! Yuan Shikai ist ein gemeiner Betrüger! Er verrät seine Freunde und geht über Leichen, um seine Ziele zu verwirklichen, seine Verbrechen würden nicht einmal durch den Tod gesühnt! Brüder, laßt euch bloß nicht durch seine heuchlerischen Worte täuschen!« schrie Qian Xiongfei von seinem Exekutionspfahl her dazwischen.
Zhang Xun sah, daß Yuan Shikai rot anlief und beeilte sich, zum Hinrichtungspodest zu laufen, um Qian Xiongfei einen Faustschlag ins Gesicht zu verpassen. Dabei schimpfte er: »Du dreckiger Hurensohn, noch im Angesicht des Todes nimmst du den Mund voll!«
Qian Xiongfei spuckte ihm mit Blut vermischten Speichel ins Gesicht.
Yuan Shikai hob die Hand, um Zhang Xun, der eben zu einem neuen Schlag ausholte, Einhalt zu gebieten: »Qian Xiongfei, du bist ein phantastischer Schütze gewesen, dein Wissen sucht seinesgleichen. Ich habe dir vergoldete Pistolen geschenkt, dir verantwortungsvolle Posten anvertraut, dich als meinen loyalen Diener betrachtet, und du, du hast dich nicht nur als undankbar erwiesen, sondern mir auch noch Schaden zufügen wollen! Das ist unerträglich! Obwohl ich deiner hinterhältigen Attacke entkommen bin, tut es mir doch leid um dein außergewöhnliches Talent. Es ist ein Jammer, dich töten zu müssen. Doch das Gesetz des Staates kennt kein Erbarmen, die Vorschriften des Militärs dulden keine Ausnahme, und so kann nicht einmal ich dich retten.«
»Wenn ich sterben soll, dann laßt mich sterben und spart Euch die Worte!«
»So weit ist es also gekommen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es mit Zhuge Wuhou zu halten, der Ma Su unter Tränen enthaupten ließ!«
»Hört auf mit dem Theater, Yuan!«
Yuan Shikai schüttelte den Kopf und seufzte tief: »Du bist ein solcher Sturkopf, daß ich rein gar nichts mehr für dich tun kann!«
»Ich habe mich schon lange mit dem Tod abgefunden, Exzellenz Yuan.«
»Ich habe zu Lebzeiten für dich getan, was in meiner Macht stand. Wenn es noch eine Angelegenheit gibt, die ich nach deinem Tod für dich regeln kann, laß es mich wissen!«
»Exzellenz, auch wenn ich der Cousin des Präfekten Qian Ding von Gaomi bin, so haben wir doch schon lange keinen engen Kontakt mehr, und ich bitte Euch, daß er nicht in diese Sache hineingezogen wird.«
»Da kannst du ganz beruhigt sein.«
»Ich danke Euch!« sagte Qian. »Nie hätte ich gedacht, daß Ihr heimlich jemanden beauftragen würdet, die Kugeln aus meinen Pistolen herauszunehmen, so daß ich kurz vor dem Ziel scheitern mußte ... ein Jammer!«
»Niemand hat heimlich deine Kugeln herausgenommen«, sagte Yuan Shikai lächelnd, »es war der Wille des Himmels!«
»Dann war es wohl der Wille des Himmels, daß Yuan Shikai am Leben bleibt«,
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