Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
dunkelgrüne Augen aufleuchten. Wölfe! Mit einem panischen Ausruf drückte er unbewußt seine vor Kälte starren Beine in die Flanken des Pferdes und zog die Zügel an. Das Pferd wieherte, bäumte sich auf, und er verlor den Halt.
Liu Pu und Chunsheng, die ihm die ganze Zeit steifgefroren und zähneklappernd gefolgt waren, sahen hilflos mit an, wie der Präfekt aus dem Sattel glitt. Sie begannen erst wieder zu denken, als sie sahen, wie die Wölfe das Pferd ihres Herrn jagten. Unter lauten Rufen zogen sie ungeschickt ihre Schwerter aus der Scheide, trieben ihre Tiere an und ritten wild in die Luft stochernd hinterher. Die beiden Wölfe rannten davon und verschwanden spurlos.
»Exzellenz, Exzellenz!« riefen Chunsheng und Liu Pu, sprangen von ihren Tieren ab und stolperten nach vorn, um dem Präfekten zu Hilfe zu eilen.
Seine Beine steckten noch in den Steigbügeln, und er hing kläglich vom Pferd herab. Das Pferd, von Chunsheng und Liu Pu aufgeschreckt, machte einen Satz nach vorn. Der Präfekt wurde mitgeschleift; er schrie auf vor Schmerz. Wäre nicht der Boden mit weichem Gras bedeckt gewesen, hätte er sich schwere Kopfverletzungen zugezogen. Liu Pu, der etwas mehr Erfahrung hatte, gebot dem Rufen Chunshengs Einhalt. Sie näherten sich nun vorsichtiger und flüsterten sanft: »Gutes Pferd, braves Pferd, schön ruhig, hab keine Angst ...« Liu Pu packte das Pferd mit beiden Armen am Kopf. Als Chunsheng noch immer unbeholfen herumstand, schrie er ihn an: »Worauf wartest du noch, du Idiot, befreie endlich Seine Exzellenz!«
Chunsheng stellte sich ziemlich ungeschickt an, zog erst an den Beinen und dann am Kopf, ohne seinen Herrn befreien zu können. Liu Pu sagte: »Was machst du denn da? Komm her und halte das Pferd!«
Dann befreite er die Beine des Präfekten und zog ihn aus dem Sattel. Qian Ding hatte kaum den Boden mit den Füßen berührt, als er laut aufschrie, wieder in sich zusammensank und sich auf den Boden setzte. Sein ganzer Körper fühlte sich taub und steif an, kein Körperteil schien ihm mehr zu gehorchen. Sein Hinterkopf und seine Knöchel schmerzten unerträglich. Er war frustriert und wütend und wußte nicht, an wem er seinen Ärger auslassen sollte.
»Exzellenz, ist alles in Ordnung?« fragten Liu Pu und Chunsheng schüchtern.
Qian Ding sah ihre Gesichter verschwommen vor sich, stieß einen langgezogenen Seufzer aus und schimpfte: »Verdammt! Es ist wirklich kein leichtes, ein guter Beamter zu sein.«
»Exzellenz, es gibt einen gerechten Himmel«, sagte Liu Pu, »der all Eure Schmerzen zur Kenntnis nimmt.«
»Der Himmel wird Seiner Exzellenz gnädig sein und ihm zu einer Beförderung verhelfen«, bestätigte Chunsheng.
»Gibt es wirklich einen Himmel?« fragte Qian Ding. »Daß ich nicht von meinem Pferd zu Tode geschleift worden bin, spricht wohl dafür, daß es einen Himmel gibt, nicht wahr? Kameraden, seht bitte einmal nach, ob meine Beine nicht gebrochen sind.«
Liu Pu fuhr mit der Hand in die Gamaschen und tastete sie vorsichtig ab. Dann sagte er: »Seid beruhigt, es ist nichts gebrochen.«
»Wie kannst du das wissen?«
»Als ich jünger war, hat mein Vater mich in der Kunst der Massage und Anatomie unterwiesen.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß der gute Peicun sogar in dieser Kunst bewandert war«, sagte der Präfekt seufzend. »Gerade eben habe ich an die Zeit denken müssen, als dein Vater und ich gerade die Beamtenprüfungen bestanden hatten. Damals waren wir voller Energie und Ideen, voll von jugendlichem Übermut und hatten große Pläne, wollten unser Vaterland voranbringen und uns großen Aufgaben stellen, aber heute ...« Qian Ding versuchte, nicht wieder sentimental zu werden. »Meine Beine sind nicht gebrochen, das ist noch ein Beweis mehr dafür, daß ein Gott im Himmel existiert. Kameraden, kommt und helft mir auf die Beine!«
Chunsheng und Liu Pu, einer rechts und einer links, griffen Qian Ding unter die Arme, halfen ihm auf und versuchten, ein Stück mit ihm zu gehen. Der Präfekt hatte kein Gefühl in den Beinen und verspürte nur einen stechenden Schmerz, der sich von den Fußsohlen bis unter die Stirn zog. Er sagte: »Sammelt etwas Gras und macht ein Feuer. Es hat keinen Zweck, ich komme nicht mehr auf das Pferd hinauf.«
Er setzte sich auf die Erde und rieb sich die klammen Finger, während er Chunsheng und Liu Pu beobachtete, die brav seinem Befehl folgten. Ihre undeutlichen Silhouetten bewegten sich im Mondlicht auf und ab, sie wirkten wie zwei Tiere
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