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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Wasser, das nach allen Seiten hin abfließt. Der Wind frischte auf. Im Licht der Flammen sah man hin und wieder etwas Pelziges auftauchen, Hasen vielleicht oder Füchse. Auch Vögel stiegen aufgeregt schreiend in den dunklen Nachthimmel auf, Lerchen oder Tauben. Als der Grashaufen verbrannt war, erlosch das Feuer vor Qian Ding. Zurück blieb nur ein rotglühender Aschehaufen. Doch inzwischen hatten sich die Flammen bereits über die ganze Ebene ausgebreitet. Es war eine beeindruckende Szene. Qian Ding war ganz erregt und sagte mit strahlenden Augen: »Ein solches Bild bekommt man nicht oft zu sehen im Leben! Chunsheng, Liu Pu, allein dafür hat sich die Reise schon gelohnt!«
    Sie stiegen wieder auf ihre Tiere und setzten ihren Weg in Richtung Laizhou fort. Das Feuer war wie eine leuchtende Flutwelle, die über das Land schwappte. Die kalte Nachtluft war erfüllt von Brandgeruch.

3.
    Bei Sonnenaufgang erreichte die kleine Gruppe die Stadt Laizhou. Das Stadttor war verschlossen und die Zugbrücke hochgezogen, es war nicht der Schatten eines Wachsoldaten vor dem Tor zu sehen. Auf den umliegenden Höfen krähten die Hähne, Bäume und Gräser waren noch ganz von Rauhreif bedeckt. Qian Ding sah, daß auch auf den Augenbrauen von Chunsheng und Liu Pu Rauhreif lag, während der Rest ihrer Gesichter von einer schwarzen Rußschicht bedeckt war. Er konnte sich denken, daß er selbst nicht anders aussah, und hoffte mit diesem von der langen Reise mitgenommenen Äußeren beim Präfekten von Laizhou Eindruck zu schinden.
    Er erinnerte sich, daß es hier früher nur eine Steinbrücke gegeben hatte und nicht diese aus Pinienholzstämmen gefertigte neue Zugbrücke. Ob diese Neuerung wohl als Vorsichtsmaßnahme zur Abwehr eines möglichen Angriffes durch eine von den Boxern provozierte Volksbewegung gedacht war? Er konnte es sich nicht vorstellen. Seiner Meinung nach würden die Bauern niemals zu Rebellen werden, es sei denn, sie ständen kurz vor dem Hungertod.
    Als die Sonne aufging, öffnete sich endlich das Stadttor, und die Zugbrücke wurde quietschend herabgelassen. Sie erstatteten beim Wachsoldaten am Tor Meldung und ritten in die Stadt ein. Die Hufe ihrer Tiere klapperten über das weiße Steinpflaster. Die Straßen waren wie ausgestorben. Nur ein paar Frühaufsteher standen am Brunnen, um Wasser zu holen. Aus dem Brunnenschacht stieg weißer Dampf, Frostblumen zierten das Geländer. Ihre Haut brannte unter der Morgensonne. Man hörte den angenehmen Klang der eisernen Griffe der Wassereimer, die an den Eisenhaken der Tragstangen scheuerten. Die Wasserträger musterten die Reiter mit erstaunten Blicken.
    In der Straße vor dem Yamen hatte ein kleines Teehaus, das gekochte Rinderinnereien servierte, bereits den großen Wok vor der Tür aufgestellt. Hinter dem Topf stand eine blasse junge Frau mit einer großen, langen Schöpfkelle in der Hand. Die Brühe brodelte und dampfte im Topf und der Duft nach Rinderinnereien und Koriander stieg ihnen in die Nase. Sie stiegen vor dem Gasthaus ab. Sobald der Präfekt vom Pferd gestiegen war, versagten ihm die Beine und auch Chunsheng und Liu Pu ging es nicht viel besser. Sie stützten den Präfekten und halfen ihm, sich auf einen Schemel neben dem Wok zu setzen. Nun war der Hintern des Präfekten breit und die Schemel des Gasthauses schmal; der Schemel fiel sofort um und Qian Ding fiel zu Boden. Sein Hut wollte nicht an seinem Platz bleiben, purzelte erneut von seinem Kopf und geradewegs in eine dreckige Pfütze. Chunsheng und Liu Pu halfen dem Präfekten eilig wieder auf. Sie schämten sich, da sie ihren Pflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen waren. Der Rücken und der Zopf des Präfekten waren völlig verdreckt. Schon am frühen Morgen ein Fall und der Beamtenhut auf dem Boden  – das sah nicht gut aus. Qian Ding war aufgebracht und wollte seinen Gefolgsleuten die Leviten lesen, weil sie seinen Sturz nicht verhindert hatten. Aber als er ihre ängstlichen Mienen sah, schluckte er seine Worte herunter.
    Liu Pu und Chunsheng versuchten sich, so gut es ging, auf ihren von dem langen Ritt wacklig gewordenen Beinen zu halten und den Präfekten zu stützen. Die Frau legte den Kochlöffel beiseite und beeilte sich, den gar nicht mehr repräsentativ aussehenden Hut des Präfekten aufzuheben. Sie wischte ihn an ihrem eigenen Kleid notdürftig ab und gab ihn dem Präfekten zurück. Dabei sagte sie: »Es tut mir sehr leid, Exzellenz.«
    Die Frau hatte in ihrem Mundwinkel ein

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