Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Bauerntrampel, deren Horizont nicht über ihre Nasenspitze hinausreicht, sind schon unterwegs und recken die Hälse, um sehen zu dürfen, was in meinem Hof vor sich geht. Ihr Gesichtsausdruck spricht Bände. Sie bewundern mich, sie sind von Neid zerfressen. Ihre Augen sehen nur meine Werkzeuge, sind aber nicht in der Lage, die Gefährlichkeit dieser Gegenstände zu erkennen. Mein Sohn ist leider genauso dämlich wie die Leute auf der Straße, aber bei ihm hat das etwas Rührendes.
Nachdem ich einmal eine Frau mit schneeweißer Haut zerstückeln mußte, habe ich nie wieder eine sexuelle Beziehung mit einer Frau gehabt. Selbst die blühenden Schönheiten aus der Bada-Gasse in Beijing konnten mich nicht mehr reizen. Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, hat sogar mein Bart aufgehört zu sprießen. Die Worte der Großmutter kommen mir in den Sinn. Er sagte einmal: »Meine Kinder, die Angehörigen unseres Berufsstands sind wie die Palasteunuchen. Die Eunuchen hat man zwar entmannt, aber ihr Herz ist noch nicht tot. Wir sind zwar noch im Besitz unserer drei besten Teile, doch unser Herz ist tot.« Er hatte noch angefügt: »Wenn ihr in Gegenwart einer Frau keine Begierde mehr empfindet und eines Tages überhaupt nicht mehr an diese Sache denkt, dann seid ihr nicht mehr weit von einem perfekten Henkermeister entfernt.« Es ist einige Jahrzehnte her, daß ich hierher zurückgekommen bin und einmal mit meiner Frau geschlafen habe. Damals war ich gerade so noch in der Lage dazu. Dabei herausgekommen ist dieser zwar zugegeben ziemlich einfältige, mir aber dennoch nicht unsympathische Sohn. Keine leichte Sache, aus einem Topf mit verkochtem Hirsebrei einen Hirsesproß zu ziehen! Allein wegen dieses Sohnes war es, daß ich um jeden Preis in meine Heimat zurückkehren wollte. Ich werde ihn zum besten Foltermeister der Qing-Dynastie machen. Die Kaiserinwitwe hat treffend gesagt: »Jedes Metier hat seinen Meister«. Ich bin ein Meister meines Faches, und auch mein Sohn wird ein Meister werden.
Aber diese Schwiegertochter! Daß sie mit diesem Qian Ding ins Bett steigt, treibt mir die Schamesröte ins Gesicht. Es war eine göttliche Fügung, daß mir ihr Vater in die Hände gefallen ist. Sie öffnet das Tor und tritt in den Hof. Ich lache ihr ins Gesicht und sage: »Siehst du, liebe Schwiegertochter, wofür verwandtschaftliche Beziehungen nütze sind. All diese Dinge hier sind für deinen Vater.«
Sie sieht mich mit großen Augen an, verzieht den Mund, wird leichenblaß und bringt kein Wort heraus. Mein Sohn hockt vor dem Hahn und fragt fröhlich: »Vater, ist dieser Hahn für uns?«
»Ja, er ist für uns.«
»Und das alles hier, der Reis, das Mehl, das Fleisch, ist das auch für uns?«
»Ja, das ist alles für uns.«
»Ha ha ha ...!«
Mein Sohn bricht in ein großes Gelächter aus. So dumm kann dieses Kind nicht sein. Wer den Nutzen von Dingen erkennt, ist nicht wirklich dumm. Sohn, all diese Dinge sind wirklich für uns, aber wir müssen sie für die Belange des Staates einsetzen. Morgen um diese Zeit ist unsere glorreiche Stunde gekommen.
»Schwiegervater, man hat tatsächlich Euch damit beauftragt, meinen Vater zu töten?« fragt meine bedauernswerte Schwiegertochter. Ihr sonst so glattes und hübsches Gesicht scheint Rost angesetzt zu haben.
»Das ist ein Glück für deinen Vater!«
»Wie hast du vor, ihn umzubringen?«
»Ich werde seinen Körper mit einem Sandelholzpflock durchstoßen.«
»Du Ungeheuer ...« Sie stößt einen irren Schrei aus. »Du verdammtes Ungeheuer ...!«
Wie üblich mit den schmalen Hüften wackelnd, öffnet sie das Tor und stürmt hinaus.
Ich folge meiner wie besessen davonrennenden Schwiegertochter mit den Augen und rufe ihr nach: »Gute Schwiegertochter, ich werde deinem Vater zu ewigem Ruhm verhelfen, ihn zu einem großen Helden der Operndramen machen, du wirst sehen!«
2.
Ich lasse meinen Sohn das Tor verschließen, und nehme eine kleine Stahlsäge, um das Stück Sandelholz auf der blutbesudelten Schlachtbank in zwei Teile zu teilen. Die Säge fährt mit einem schrillen Ton durch das Holz, so daß es in den Ohren weh tut. Es hört sich an, als würde man Eisen zersägen. Große, rote Funken sprühen entlang der Schnittstelle. Das Sägeblatt ist so glühend heiß, daß man sich die Hand daran verbrennen könnte. Der Geruch von verbranntem Sandelholz dringt mir in die Nase. Mit dem Hobel bringe ich die beiden Stücke vorsichtig in die Form zweier langer Schwerter, nicht zu spitz,
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