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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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sondern perfekt gerundet wie die Blätter von Lauchzwiebeln. Danach reibe ich sie mit Sandblattpapier rundherum blank, erst mit grobem, dann mit feinerem Papier, solange, bis sie spiegelblank sind. Zugegeben, ich habe die Sandelholzstrafe noch nie ausgeführt, doch ich weiß sehr wohl, daß man für eine so große Sache nur hervorragende Werkzeuge verwenden kann. Es gehört zu den guten Gewohnheiten, die mir Großmutter Yu anerzogen hat, jede große Unternehmung mit absoluter Sorgfalt vorzubereiten. Die beiden Sandelholzstäbe zu polieren kostet mich zwar einen halben Tag Arbeit, doch es heißt, mit einer gutgeschliffenen Axt dauert das Holzhacken nur halb so lang. Ein gutes Werkzeug macht die halbe Arbeit. Als ich gerade mit dem Polieren fertig bin, klopft ein Scherge des Yamen an das Tor und teilt mir mit, daß Qian Dings Leute die hohe Plattform auf dem Exerzierplatz vor der Tongde-Akademie errichtet haben, wie ich es verlangte. Es ist eine Plattform, die bis zum Himmel aufragt. Noch in hundert Jahren wird man von dieser Plattform reden. Außerdem stehe auch die Strohhütte bereit, auf der großen gemauerten Feuerstelle werfe das Sesamöl im Topf Blasen und auf der kleineren schmore das Rindfleisch. Ich schnüffele mit der Nase, als ob mir der Herbstwind das Aroma herüberwehen würde.
    Meine Schwiegertochter, die am Morgen fluchtartig das Haus verlassen hat, ist noch immer nicht zurück. Man kann gut verstehen, was in ihr vorgeht, jetzt, wo die Bestrafung ihres Vaters feststeht. Sie wäre nicht seine Tochter, wenn ihr nicht das Herz blutete. Wo kann sie hin sein? Zu ihrem Patenonkel Qian Ding, um ihn um Gnade anzuflehen? Schwiegertochter, dein Patenonkel ist ein lahmer Buddha geworden, der aufpassen muß, daß er nicht naß wird, wenn er den Fluß überquert. Ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber ich verwette meinen Arsch darauf, daß der Tag, an dem dein Vater seinen letzten Atemzug getan hat, auch für deinen Patenonkel das Ende bedeutet.
    Ich entledige mich meiner gewöhnlichen Kleidung und werfe mich in meinen brandneuen zeremoniellen Habitus: ein schwarzes Gewand mit rotem Gürtel, ein roter Filzhut mit roten Quasten und schwarze Lederstiefel. Wer würde bestreiten, daß Kleider Leute machen? Sobald ich in dieser Aufmachung stecke, bin ich kein gewöhnlicher Sterblicher mehr. Mein Sohn fragt mich, fröhlich lachend: »Vater, was haben wir vor? Singen wir jetzt in der Katzenoper?«
    Was soll das jetzt, was für eine Katzenoper? Dich werd ich lehren, eine verdammte Hundejauloper kannst du meinetwegen singen! Innerlich stoße ich Verwünschungen gegen ihn aus, aber ich weiß, daß es keinen Zweck hat, etwas zu sagen. Ich befehle ihm schlicht, daß er seine von Schweinefett und Hundeblut starrenden Kleider wechseln soll. Da sagt der seltsame Mensch auf einmal zu mir: »Vater, mach die Augen zu, du darfst nicht hersehen. Wenn meine Frau sich auszieht, darf ich auch nicht zusehen.«
    Ich schiele unter halb geschlossenen Lidern zu ihm hin und sehe, wie er einen durch und durch muskulösen Körper entblößt. Doch das Ding zwischen seinen Beinen ist so kläglich  – ein Blick genügt, um zu wissen, daß es zu nichts nütze ist.
    Er trägt nun hohe, schwarze Stiefel aus weichem Leder, einen roten Seidengürtel und eine rote Kappe mit Quaste. Er ist von imponierender Gestalt, ein wahrer Riese, ein Mann aus dem Holz, aus dem Helden geschnitzt sind. Leider läßt er bei jeder Gelegenheit dieses breite Grinsen sehen und kratzt sich am Kopf und hat damit auch etwas von einem Affen.
    Ich nehme die beiden Schwerter aus Sandelholz auf die Schulter, sage meinem Sohn, er soll den weißen Hahn mit dem schwarzen Kamm tragen, und so gehen wir zum Tor hinaus in Richtung Tongde-Akademie. Zu beiden Seiten der Straße haben sich schon eine Menge Schaulustige versammelt, Frauen wie Männer, Alte und Junge, und alle starren uns an mit runden, offenen Mündern wie Fische, die nach Luft schnappen. Ich schreite mit hocherhobenem Kopf, den Blick stur geradeaus gerichtet, doch meinen Augen entgeht nichts. Mein Sohn allerdings dreht den Kopf in alle Richtungen und grinst dämlich in die Runde. Der große Hahn flattert mit lautem Gackern in seinen Armen. Auf dem ganzen Weg sehen mir nur tumbe und schreckstarre Gesichter entgegen. Wenn mein Sohn dumm sein soll, dann sind es die Leute hier erst recht. Liebe Freunde, das Schauspiel hat doch noch gar nicht begonnen und ihr schaut schon so dumm durch die Wäsche. Wie soll das

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