Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
wirklich langweilig. Ich gehe zum Herd und stelle fest, daß das Feuer bereits ausgegangen ist. Das Öl im Topf ist auch schon ganz kalt. Das Öl glänzt, das ist kein Öl, es ist ein Spiegel, ein großer Bronzespiegel, noch glänzender als das Gesicht meiner Frau. Jedes Haar in meinem Gesicht kann ich in diesem Spiegel erkennen. Auf dem Boden klebt getrocknetes schwarzes Blut, das Blut des Dritten Song. Ob auch Blut in den Topf geflossen ist? Ob das der Grund dafür ist, daß das Öl so schön glänzt? Wenn wir hier fertig sind, werde ich den Topf mit dem Öl mit nach Hause nehmen und in unserem Hof aufstellen, damit meine Frau sich darin betrachten kann. Aber ich erlaube es ihr nur, wenn sie meinen Vater gut behandelt.
Gestern nacht hörte ich im Halbschlaf ein Geräusch – platsch, da war der Dritte Song kopfüber in den Topf gefallen. Als wir ihn herausfischten, war seine Haut schon ganz knusprig. Eine lustige Geschichte war das, miau, miau. Wer hat ihn erschossen? Mein Vater wußte es nicht, die Soldaten, die von dem Schuß aufgeschreckt herbeigerannt kamen, wußten es auch nicht. Aber ich weiß es. In der ganzen Präfektur gibt es nur zwei Männer, die so gut schießen können: einer ist Niu Qing, der Kaninchenjäger, der andere ist Qian Ding, der Präfekt von Gaomi. Niu Qing hat nur noch ein Auge, das andere hat er bei der Explosion eines Feuerwerkskörpers verloren. Mit dem Verlust des rechten Auges hat seine Schießkunst große Fortschritte gemacht. Er ist auf die Hasenjagd spezialisiert. Wenn er auf ein Kaninchen zielt, dann ist das arme Tier im nächsten Augenblick in der Hölle. Niu Qing ist ein guter Freund von mir, ein sehr guter Freund. Der andere, der so gut schießen kann, ist Seine Exzellenz der Präfekt, Qian Ding. Als ich einmal in den Wald im Norden ging, um Heilpflanzen für eine Medizin für meine kranke Frau zu sammeln, sah ich dort Qian Ding, in Begleitung von Chunsheng und Liu Pu beim Jagen. Chunsheng und Liu Pu schreckten von ihren Lasttieren aus mit ihren Schüssen die Hasen auf, Qian Ding ritt auf seinem Pferd nach vorn, zog eine Pistole aus der Hüfte, und im Handumdrehen, ohne auch nur zu zielen – peng! Der Hase machte einen Satz in die Höhe und fiel tot zu Boden.
Ich lag im vertrockneten Gras auf dem Bauch und wagte mich nicht zu rühren. Ich hörte, wie Chunsheng vollmundig Seine Exzellenz für seine Schießkünste lobte, während Liu Pu auf seinem Gaul saß und den Kopf hängen ließ, mit ausdruckslosem Gesicht. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Meine Frau sagt, daß Qian Ding Liu Pu am liebsten hat. Liu Pu ist ein Adoptivsohn seiner Frau, ein Sohn aus guter Familie, ein gebildeter Mensch, eine Kapazität. Ist das möglich? Wie kann so ein Mensch ein Diener sein? Jemand, der wirklich etwas gilt, ist wie mein Vater. Er schwingt ein großes Schwert, malt sich das Gesicht rot an und zack! zack! zack! zack! zack! zack! rollen sechs Köpfe über den Boden.
Damals hatte ich mir gesagt: Der Präfekt ist gar kein so guter Schütze, das war ein Glückstreffer, wie bei einer blinden Katze, die über eine tote Maus stolpert. Der nächste Schuß geht garantiert daneben. Da feuerte der Präfekt, als hätte er meine Gedanken gelesen, einen weiteren Schuß ab, diesmal in die Luft – und schon fiel ein toter Vogel vom Himmel, direkt in meine Hand. Donnerwetter, ein Zauberschütze, miau, miau. Der Jagdhund des Präfekten kam angelaufen. Ich hatte den kleinen Vogel in der Hand, der noch ganz warm war. Der Hund sprang an mir hoch und jaulte. Aber ich hatte keine Angst vor ihm. Alle Hunde der Präfektur ziehen bei meinem Anblick sofort den Schwanz ein und bellen wie verrückt. Daß mich die Hunde fürchten, zeigt, daß ich, wie mein Vater, die Wiedergeburt eines schwarzen Panthers bin. Der Hund des Präfekten bellte wie verrückt. Aus seinem Bellen meinte ich herauszuhören, daß er sich aufspielte, weil er seinen starken Herrn hinter sich wußte, obwohl er eigentlich große Angst vor mir hatte. Ich bin der Höllenkönig für die Hunde von Gaomi. Als sie das Gebell hörten, kamen Liu Pu und Chunsheng angeritten. Liu Pu will mit mir nichts zu tun haben, aber Chunsheng ist ein guter Freund von mir, er kommt oft in unseren kleinen Laden, um Wein zu trinken und Hundefleisch zu essen. Jedes Mal bekommt er von mir eine ordentliche Portion. Er fragte: »Xiaojia, was machst du hier?«, und ich antwortete: »Ich grabe Heilpflanzen aus, meine Frau ist krank. Sie hat mich beauftragt, ihr
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