Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
Vom Netzwerk:
habe, packe die Hose meines Schwiegervaters und schneide ein rundes Stück heraus, so daß sein halbes Hinterteil entblößt ist. Vater legt den ölgetränkten Dattelholzhammer vor mich. Dann wählt er von den beiden Sandelholzstäben denjenigen aus, der etwas glatter als der andere zu sein scheint, und reibt ihn sorgfältig mit einem Öltuch ab. Er stellt sich links hinter Sun Bing und führt ihm den Stab mit der einem Rohrkolbenblatt gleichenden, abgerundeten Spitze des Sandelholzes in den Anus ein. Mein Schwiegervater schimpft immer noch unentwegt, und führt drastische Ausdrücke im Mund und singt auch immer wieder Verse aus der Katzenoper, ganz so, als würde es ihn kein bißchen interessieren, daß die Folter begonnen hat. Doch an dem Zittern in seiner Stimme und dem Zucken seiner Waden erkenne ich, daß er innerlich angespannt und von Furcht erfüllt ist. Mein Vater spricht jetzt nicht mehr mit ihm. Er hält den Stab fest, sein Gesicht strahlt, er ist ganz ruhig und sieht mich aufmunternd an. Ja, mein Vater ist der Allerbeste, miau, miau, so einen Vater findet man auf der ganzen Welt nicht noch einmal. Einen solchen Vater zu haben, ist wirklich ein großes Glück, miau, miau. Wenn meine Mutter nicht ihr ganzes Leben lang eine strenggläubige Buddhistin gewesen wäre, hätte ich es bestimmt niemals zu einem solchen Vater gebracht. Er hebt ein wenig das Kinn und signalisiert mir damit, daß ich anfangen soll. Ich spucke mir in die Hände und stelle mich breitbeinig hin, so stabil, als sei ich am Boden festgenagelt.
    Ich nehme den öligen Holzhammer zur Hand und schlage damit zunächst mit nur wenig Kraft auf das Ende des Sandelholzstabes, um zu testen, wie es sich anfühlt. Miau, miau, nicht schlecht, es geht ganz einfach. Also packe ich fester zu und beginne ganz ruhig und regelmäßig weiter zu hämmern. Zoll um Zoll dringt der Stab tiefer in den Körper meines Schwiegervaters ein. Der Klang des Hammers ist nicht sehr laut, bang  – bang  – bang  – miau, miau  –, eigentlich ist der keuchende Atem meines Schwiegervaters viel lauter.
    Als der Stab weiter in ihn eindringt, bäumt er sich auf. Unter den Lederseilen spannen sich all seine Muskeln an und der schwere Holzblock vibriert. Ich hämmere ganz regelmäßig weiter  – bang  – bang  – bang  – und denke an die Worte meines Vaters: Mein Sohn, geh sparsam mit deinen Kräften um!
    Nun schlägt mein Schwiegervater mit dem Kopf heftig gegen den Holzblock. Sein Hals hat sich ein ganzes Stück gestreckt. Wenn ich es nicht mit meinen eigenen Augen sehen würde, könnte ich nicht glauben, daß ein menschliches Wesen seinen Hals so strecken kann: Gewaltsam streckt er sich  – weiter  – weiter  –, bis es nicht mehr geht. Es ist, als wolle der Kopf sich vom Körper lösen und verselbständigen. Einen Augenblick später schrumpft er wieder, so daß fast kein Hals mehr vorhanden ist. Es sieht jetzt aus, als würde sein Kopf direkt auf seinen Schultern sitzen.
    Bang  – bang  – bang  –
    Miau, miau  –
    Heißer Dampf steigt von seinem Körper auf, sein Schweiß hat bereits seine ganze Kleidung durchtränkt. Als er den Kopf hebt, sehe ich, daß sein Schweiß in dicken Strömen durch sein Haar fließt. Eine seltsame Farbe hat dieser Schweiß, dick und gelblich, wie frisch aus dem Topf geschöpfte Reissuppe. Sein Gesicht ist ganz aufgedunsen und hat die Farbe einer vergoldeten Bronzeplatte. Seine Augen sind tief in die Höhlen gesunken. Er ähnelt jetzt einem Schweinekadaver, den man aufbläst, bevor man ihm die Haut abzieht, miau, miau.
    Bang  – bang  – bang  –
    Miau ...
    Der Sandelholzstab ist schon fast zur Hälfte drin  – miau ... Wohlriechendes Sandelholz ... miau ... aber bis jetzt hat mein Schwiegervater noch keinen einzigen Schmerzensschrei von sich gegeben. Vom Gesicht meines Vaters kann ich seine Bewunderung für meinen Schwiegervater ablesen. Vater und ich hatten uns vor dem Hinrichtungstag verschiedene Szenarien für diesen Moment ausgemalt, um uns für jede Eventualität zu wappnen. Was meinem Vater am meisten Sorge bereitete war, daß Sun Bing fürchterlich schreien und heulen könnte und mich, als blutigen Anfänger bei der Ausführung solcher Strafen, damit verwirren und den Ablauf meiner Bewegungen stören könnte. Dann würde der Stab vielleicht nicht ordnungsgemäß durch den Körper hindurchstoßen und die Eingeweide meines Schwiegervaters verletzen. Für diesen Fall hatte Vater eigens

Weitere Kostenlose Bücher