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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Überwachung der Rampe ist. Niemand außer Vater und Sohn Zhao dürfen sie benutzen. Außerdem sollen sie ein wachsames Auge auf die Umgebung der Plattform haben, damit ja keiner wage, sie anderweitig zu erklimmen. »Wenn mit Sun Bing irgend etwas schiefgeht, sei es daß er getötet wird oder befreit, dann wird mich Seine Exzellenz Yuan einen Kopf kürzer machen. Aber bevor er das tut, mache ich euch einen Kopf kürzer.«

3.
    Zwei lange Tage und Nächte sind verstrichen.
    Am Morgen des dritten Tages begebe ich mich nach der Inspektion der Plattform zurück in das leerstehende Gebäude der Akademie und werfe mich in allen Kleidern auf den nur mit ein paar Strohmatten ausgelegten grauen Ziegelboden. Die Soldaten, die sich nach ihrer Wachablösung hier ausruhen, schnarchen und reden im Traum. Die Mücken sind im August besonders aggressiv, unhörbar stechen sie dich und saugen dein Blut aus. Ich ziehe das Vorderteil meines Gewands hoch, um mir das Gesicht zu bedecken und mich vor den Mücken zu schützen. Von draußen hört man das Kauen der Pferde der deutschen Armee, die hier gefüttert werden, und das Scharren ihrer Hufe. Grillen zirpen. Und immer wieder höre ich das Rauschen von Wasser und mir ist, als ob es der Masang wäre, der voller Melancholie durch Dongbei fließt. Erfüllt von einer tiefen Traurigkeit, versinke ich ins Reich der Träume.
    »Exzellenz, Exzellenz, es ist furchtbar!« Eine aufgeregte Stimme reißt mich nach kurzer Zeit aus dem Schlaf, und ich erkenne das dämliche Gesicht Xiaojias. Stammelnd sagt er: »Exzellenz, Exzellenz, es ist ganz schlimm, Sun, Sun Bing stirbt!«
    Ohne lange zu überlegen, stürze ich hinaus. Die strahlende Herbstsonne steht schon hoch im Südosten, und ihr gleißendes Licht blendet mich. Ich beschatte meine Augen mit der Hand und folge Xiaojia auf die Plattform. Dort umringen Zhao Jia, Meiniang und meine Wachen den Sterbenden. Noch bevor ich bei ihnen angelangt bin, dringt mir ein furchtbarer Gestank in die Nase und ich sehe einen riesigen Schwarm blauglänzender Fliegen um Sun Bings Kopf herumschwirren. Zhao Jia schwenkt eine Fliegenklatsche aus Roßhaar und schmettert damit etliche Fliegen zu Boden, aber sofort stürzt sich ein neuer Schwarm auf den Gefolterten. Ich weiß nicht, ob es der Gestank Sun Bings ist, der sie anzieht oder eine verborgene, magische Kraft.
    Da steht Meiniang, die, sich nicht um die Fäulnis und den Gestank scherend, ihrem Vater die Fliegeneier, die die Viecher in Windeseile auf seinem Körper ablegen, mit einem weißen Seidentaschentuch abwischt. Angewidert folgt mein Blick ihren Bewegungen, von Sun Bings Augen zu dessen Mundwinkeln, von seiner Nase zu seinen Ohren, dann zu der eitrigen Wunde auf seiner Schulter, wo der Stab herauskommt und den Wunden auf seiner entblößten Brust ... Es sieht aus, als ob in Sekundenschnelle Larven aus den Fliegeneiern schlüpfen, die sich durch sämtliche feuchte Stellen auf Sun Bings Körper winden. Ohne Meiniang würde er innerhalb weniger Stunden völlig von ihnen zerfressen werden. Unter den bestialischen Gestank mischt sich bereits der Geruch des Todes.
    Sun Bing verströmt nicht nur diesen widerlichen Geruch, sondern auch eine unerträgliche Hitze. Er hat sich in einen regelrechten Glutofen verwandelt, und sollte er tatsächlich noch im Besitz all seiner inneren Organe sein, müssen diese längst geröstet und verschmort sein. Seine Lippen sind aufgesprungen und sehen aus wie verkohlte Borke, sein Haar erinnert an eine verbrannte Strohmatte. Doch er ist noch nicht tot, er atmet noch laut und vernehmlich, seine Rippen heben und senken sich, ein fürchterliches Rasseln dringt aus seiner Brust.
    Zhao Jia und Meiniang wenden sich bei meinem Eintreffen zu mir, und sehen gespannt auf mich. In ihren Augen blitzt ein Funke Hoffnung auf. Mit angehaltenem Atem gehe ich zu Sun Bing hin und lege meine Hand auf seine Stirn. Sie ist heiß wie glühende Kohlen und ich verbrenne mich fast daran.
    »Was sollen wir tun, Exzellenz?« Zum ersten Mal sehe ich einen Ausdruck der Hilflosigkeit in Zhao Jias Blick. So, du verdammter Hurensohn, du kennst also Momente der Schwäche! Mit besorgter und schwacher Stimme fügt er an: »Wenn uns nicht bald eine Lösung einfällt, wird er nicht bis zur Dämmerung überleben ...«
    »Exzellenz, rettet meinen Vater«, sagt Meiniang mit tränenerstickter Stimme. »Seht mich an, tut es für mich, rettet ihn ...«
    Ich schweige. Mir blutet das Herz wegen Meiniang, dieser dummen Frau.
    Zhao

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