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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Herbstwind war, habe ich diese Frau dennoch keinen Moment lang vergessen können, und nicht nur deshalb, weil sie bereits mein Kind unter ihrem Herzen trägt. Ich sehe, wie sie die Menge teilt und wie ein Aal gegen einen Strom schwarzer Fische anschwimmt. Die Leute machen für sie eine Gasse frei. Ich sehe sie, die Haare aufgelöst, die Kleider in Unordnung, das Gesicht schmutzig, wie ein lebendes Gespenst, ganz ohne den bezaubernden Charme, die glänzende Frische, die ich an ihr kenne. Doch zweifellos ist es Meiniang, wer sonst außer ihr würde es wagen, in einem solchen Moment zu versuchen, die Plattform zu stürmen? Das bringt mich in ein Dilemma, ich weiß nicht, wie ich reagieren soll: Soll ich sie hinauflassen oder nicht?
    » Ich, ich, ich habe eine unbesiegbare Armee geführt ...«
    Ein heftiger Hustenanfall unterbricht Sun Bings Gesang. Das laute Rasseln in seiner Brust erinnert mich an das Krächzen eines sterbenden Hahns. Die Sonne ist jetzt untergegangen, nur ein dunkelrotes Abendleuchten ist noch zu sehen. Der kalte Glanz des Mondlichts erhellt Sun Bings aufgedunsenes Gesicht. Sein riesenhafter Schädel schwingt polternd gegen den Pinienstamm, bis man das Holz bersten hört. Plötzlich spuckt er pechschwarzes Blut, und ein gräßlicher Gestank breitet sich auf der Plattform aus. Sein Kopf erschlafft und sinkt auf seine Brust.
    Panik ergreift mich und eine böse Vorahnung schwebt wie eine düstere Wolke über mir. Er wird doch nicht etwa schon tot sein? Wenn er stirbt, wird Yuan Shikai vor Zorn rasen und Knobel wird vor Wut kochen. Zhao Vater und Sohn werden kein Geld bekommen, und ich werde nicht befördert. Ich seufze tief auf, doch dann sage ich mir. Soll er doch sterben! Es ist besser, er stirbt, Knobels Pläne werden durchkreuzt und seine Eröffnungszeremonie wird ihres Glanzes beraubt. Stirb ruhig, Sun Bing! Stirb aufrecht wie ein Held! Bewahre deinen Mythos. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie elend es dir ergehen wird, wenn du noch vier Tage lang so weiterleben mußt. Qian Ding, in diesen schweren Zeiten, in denen das Land zugrunde geht, der Hof im Exil ist, das Volk im Elend lebt ist und das Blut in Strömen fließt, denkst du noch an eine Beförderung  – wie anmaßend, wie verachtenswert, wie idiotisch von dir! Sun Bing, du mußt sterben! Du hast ohnehin keine Chance, ins wirkliche Leben zurückzukehren, mach dich auf ins Himmelreich, wo dir die gebührende Ehre zuteil werden wird ...
    Zhao Jia und sein Sohn kommen aus ihrer Hütte heraus. Einer geht mit einer Papierlaterne in der Hand vorneweg, es ist Zhao Jia; sein Sohn folgt mit einer schwarzen Schüssel, die er auf beiden Händen trägt. Mit kleinen, wohlgesetzten Schritten gehen sie die Rampe hinauf. Dabei streifen sie achtlos die mitten auf der Rampe stehende Meiniang. »Vater! Was ist mit dir ...!« ertönt ihr Klagen. Sie stolpert hinter Zhao Vater und Sohn die Rampe hinauf. Ich gehe zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Meine Bediensteten sehen mich an, doch ich schenke ihnen keine Beachtung, ich habe nur Augen für Zhao Jia, Xiaojia und Meiniang. Schließlich sind sie alle eine Familie, die sich hier um ihren Familienangehörigen, der eine grausame Folter erleidet, schart, das ist im Grunde nur selbstverständlich. Selbst wenn Seine Exzellenz Yuan anwesend wäre, hätte er keinen guten Grund, das zu verhindern.
    Zhao Jia hält die Laterne hoch, deren goldgelber Schein den von wirrem Haar bedeckten Schädel Sun Bings beleuchtet. Er packt Sun Bing am Kinn und hebt seinen Kopf an, so daß ich deutlich sein Gesicht sehen kann. Ich sehe, daß Sun Bing noch nicht tot ist. Sein Brustkorb hebt und senkt sich immer noch, er atmet schwer aus Mund und Nase. Wieviel Lebenskraft steckt in ihm! Ich bin zwar enttäuscht darüber, daß wir das Spiel weiterspielen müssen, aber dennoch dankbar, daß er lebt. Ich kann kaum noch einen Verbrecher in ihm erkennen, der eine grausame Strafe erleidet, ich sehe ihn vielmehr als Schwerkranken auf dem Sterbebett, für den es keine Hoffnung mehr gibt, der aber dennoch von seinen Verwandten am Leben gehalten wird, mit aller Kraft am Leben gehalten wird ... Die Frage von Leben und Tod ist also noch nicht entschieden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.
    »Flöße ihm die Ginsengsuppe ein!« befiehlt Zhao Jia seinem Sohn.
    Da erst nehme ich den starken, bitteren Geruch von exzellentem Ginseng wahr, der von der schwarzen Schale aufsteigt. Ich kann nicht umhin, Zhao Jia für die ausgeklügelte

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