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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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im Yamen gewesen, aber mit dem langen Rock, der über den Boden schleifte, konnte sie einfach nicht schneller gehen. Ihre Schritte waren ihr zu langsam und die Straße kam ihr unendlich lang vor. Schließlich hob sie einfach den Rock hoch und entblößte ihre großen Füße. So überrundete sie eine Gruppe von auf kleinen Füßen dahintrippelnden Frauen nach der anderen.
    »Was treibt dich so an, große Schwester Zhao?«
    »Große Schwester Zhao, brennt es irgendwo?«
    Meiniang scherte sich nicht um die bösen Zungen der Nachbarinnen und nahm den Weg durch die Gasse der Familie Dai, um das Yamen vom Seitentor aus zu betreten. Die blühenden Zweige der Birnbäume hingen über die Mauer des großen Anwesens. Der süßliche Duft, summende Bienen, zwitschernde Schwalben ... Sie brach sich einen Blütenzweig ab und steckte ihn sich mit etwas Mühe ins Haar. Der Wachhund der Familie Dai schlug an. Vor dem Yamen klopfte sie sich nicht vorhandene Staubkörner von den Kleidern, ließ ihren Rock herunter und trat durch das Tor. Die Wachen begrüßten sie mit einem Kopfnicken und sie antwortete mit einem Lächeln. Im Nu fand sie sich, atemlos vor Hast, vor dem Eingang zum Hof der Dritten Halle wieder. Der Wachmann dort war dieser junge Kerl mit dem fremden Akzent, tiefschwarzen Augenbrauen und Tigeraugen, den Meiniang bereits beim Bartwettkampf gesehen hatte. Sie wußte, daß er ein enger Vertrauter des Präfekten war. Er nickte ihr zu und auch seinen Gruß erwiderte sie mit einem Lächeln. Der Hof war bereits voll von Frauen, an deren Beine die Kinder hingen. Sie zwängte sich mit vor der Brust verschränkten Armen durch die Reihen, und stand schließlich ganz dicht vor dem Gebäude. Unter dem großen Dachvorsprung der Dritten Halle hatte man einen langen Tisch aufgestellt und dahinter nebeneinander zwei Stühle. Auf dem linken Stuhl thronte Seine Exzellenz Qian und auf dem rechten Stuhl saß seine Gemahlin. Die Gnädige Frau trug einen festlichen, mit dem Bild eines Phönix verzierten Hut und einen bestickten Seidenumhang. Sie nahm eine sehr gerade Haltung ein. Wie eine rote Wolke leuchtete ihr rotes Kleid in der Sonne. Das Gesicht der gnädigen Frau war von einem feinen, rosafarbenen Schleier bedeckt, unter dem man höchstenfalls vage die Konturen ihres Gesichts ausmachen konnte. Genaueres vermochte man gar nicht zu erkennen. Meiniang war erleichtert. Bis zu diesem Moment, so wurde ihr bewußt, hatte sie sich am meisten davor gefürchtet, daß die Gnädige Frau ein strahlend schönes Antlitz zur Schau stellen könnte. Daß sie ihr Gesicht nicht entblößte, konnte nur bedeuten, daß sich unter diesem Schleier keine Schönheit verbarg. Unbewußt schwoll ihr die Brust und in ihrem Herzen loderte die Hoffnung. Sie nahm den schweren Duft des Flieders wahr, der über dem Hof hing, und bemerkte die lilafarbenen Bäume, die ihn umrahmten, und deren prachtvolle Dolden. Auch die Schwalbennester unter dem Dachvorsprung der Halle und die emsig hin- und herfliegenden Vögel fielen ihr auf. Aus den Nestern drang das Fiepen der jungen Schwalbenkinder. Es hieß, daß Schwalben ihre Nester nicht gerne an den öffentlichen Gebäuden bauten, sondern die freundliche und glückverheißende Wärme der Bauernhäuser bevorzugten. Daß nun ganze Schwärme von Schwalben ihre Nester unter den Dächern dieses Yamen bauten, war das Zeichen eines Neubeginns und deutete auf das besondere Glück hin, das mit diesem talentierten und tugendhaften Präfekten hier Einzug gehalten hatte. Gewiß war dieses Glück nicht der verschleierten Dame neben ihm zu verdanken. Sie wandte ihre Augen von dieser ab und sah den Präfekten an. Wie liebevoll sein Blick war! Sie fühlte eine Woge der Zärtlichkeit in sich aufsteigen. Exzellenz, ach Exzellenz, wer hätte gedacht, daß ein Heiliger wie Ihr eine Frau hat, die sich verschleiern muß, damit niemand ihr ins Gesicht blicken kann? Hat sie wirklich schwarze Pockennarben im Gesicht? Hat sie Scheelaugen und eine platte Nase? Den Mund voller schwarzer Zähne? Ach, Exzellenz, das tut mir wirklich leid für Euch ...
    Während Meiniang vor sich hinphantasierte, hörte sie plötzlich die Gnädige Frau leise hüsteln. Sofort schaute Seine Exzellenz besorgt drein, neigte sich zu seiner Frau und wechselte ein paar Worte mit ihr. Eine Dienerin mit zwei Zöpfen bahnte sich den Weg durch die Menge, einen Flechtkorb mit roten Datteln und Erdnüssen über die Köpfe der Leute hinweg balancierend, damit die ihr nachlaufenden Kinder sie

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