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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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aufschlug. Der heftige Schmerz ließ ihn für einen Moment das Bewußtsein verlieren. Als er wieder zu sich kam, hatte ihm der Maskierte bereits schwer seinen Fuß auf die Brust gesetzt. Sun Bing rang um Atem: »Exzellenz ... hattet Ihr mir denn nicht bereits verziehen? Warum denn noch einmal ...«
    Der Angreifer sagte noch immer kein Wort, lachte nur sein hämisches Lachen und riß Sun Bing ohne Vorwarnung ein weiteres Büschel Barthaare aus. Sun Bing bäumte sich auf, brüllend vor Schmerz. Der Mann in Schwarz warf das Barthaar weg und brachte ihn zum Schweigen, indem er ihm einen Stein in den Mund stopfte. Dann riß er ihm mit einer flinken und kraftvollen Handbewegung die restlichen Barthaare aus. Als Sun Bing sich endlich mühevoll aufgerichtet hatte, war von dem Maskierten weit und breit nichts mehr zu sehen. Hätte er nicht diese stechenden Schmerzen am Hinterkopf und am Kinn gehabt, wäre er wohl sicher gewesen, das Ganze geträumt zu haben. Er zog sich den großen Stein aus dem Mund und befühlte sein lädiertes Gesicht. Auf dem blauen Pflaster der vom Mondlicht erleuchteten Straße hatte er seinen Bart liegen sehen wie ein Büschel Wassergras, und er haderte mit seinem Schicksal ...
    Gegen Abend kam kurz sein Schwiegersohn zu ihm herein. Gut gelaunt warf er ihm einen großen gebackenen Fladen zu und ging dann wieder hinaus. Erst, als es bereits Zeit war, die Lampen anzuzünden, kehrte seine Tochter zurück. Im hellen Schein der roten Kerzen sah sie glücklich und zufrieden aus  – jedenfalls nicht wie jemand, der gerade jemanden getötet hat, auch nicht wie jemand, der versucht hatte, einen anderen zu töten. Nein, eigentlich eher wie jemand, der gerade von einer ausgelassenen Hochzeitsfeier kommt.
    Noch bevor er den Mund aufmachen und sie fragen konnte, zog seine Tochter ein Gesicht: »Vater, du hast Unsinn erzählt! Seine Exzellenz Qian ist ein Gelehrter mit einem Herzen so weich wie Watte. Was du ihm vorwirfst, könnte er nie tun. So wie ich die Sache sehe, hast du dir von diesen stinkenden Huren Pferdepisse ins Hirn schütten lassen, deine Augen bekamen nichts mehr mit, dein Hirn war zu nichts mehr zu gebrauchen und deshalb hast du so wirres Zeug geredet. Hast du dir denn nicht überlegt, daß er, selbst wenn er dir den Bart ausreißen wollte, diese Aufgabe wohl kaum mit seinen eigenen Präfektenhänden erledigen würde? Und warum gerade jetzt? Warum nicht gleich nach dem Wettkampf? Er hätte keinen Grund gehabt, dir zu vergeben, im Gegenteil, es wäre nicht weniger als verständlich gewesen, daß er dir wegen deines verdammten losen Mundwerks in aller Öffentlichkeit das Leben ausgelöscht hätte. In den Gefängnissen leiden und sterben genug Leute, die weniger verbrochen haben als du, warum hätte er sich auf einen Wettkampf mit dir einlassen sollen? Vater, inzwischen gehst du doch schon auf die fünfzig zu und bist immer noch ein alter Lustmolch, den ganzen Tag treibst du dich bei den Huren herum und frönst deinen Lastern! Wenn du mich fragst, dann hat denjenigen, der dir den Bart ausgerissen hat, der Himmel geschickt! Der Himmel will, daß du dein Leben änderst. Beim nächsten Mal wird es dich den Kopf kosten!«
    Die Wortsalven, die aus seiner Tochter wie aus einem Schnellfeuergewehr schossen, erschreckten Sun Bing so sehr, daß ihm der Schweiß ausbrach. Zweifelnd betrachtete er das Gesicht Meiniangs und dachte bei sich: Sehe ich Gespenster? Ich kann meine Tochter nicht wiedererkennen. Es ist, als wäre sie innerhalb eines knappen Tages zu einem anderen Menschen geworden. Mit einem spöttischen Lachen entgegnete er ihr: »Meiniang, was hat denn der Herr mit Namen Qian für einen Zauber mit dir angestellt?«
    »Redet so ein Vater?« Meiniang wurde wütend. »Seine Exzellenz Qian ist ein aufrechter und vornehmer Mann, er hat mir nicht einmal einen schiefen Blick zugeworfen.« Sie zog einen großen Barren weißglänzenden Silbers aus ihrer Jacke und warf ihn auf den Kang. »Seine Exzellenz Qian hat gesagt, Schauspieler, die ein Lotterleben führen, können die würdigsten Generäle spielen, aber jeder einfache Barbier ist ihnen überlegen. Anständige Leute suchen sich andere Berufe. Er schenkt dir deshalb fünfzig Pfund Silbergeld, damit du deine Theatertruppe auflöst und statt dessen einen kleinen Laden aufmachen kannst.«
    Sun Bing hatte nicht übel Lust, den Barren Silber geradewegs zurückzuweisen, um zu zeigen, daß ein Mann aus Dongbei in Gaomi Rückgrat besitzt. Aber als er seine Hand

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