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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Augmentin . Clive riss die Augen auf. Er begann, sich auf der Trage aufzubäumen und hin und her zu werfen.
    »Was ist los?«, fragte die Ärztin erschreckt.
    Es fiel Dawn wie Schuppen von den Augen: Clive hatte seine silberne Kette mit dem Medaillon verloren. Das Medaillon mit dem Warnhinweis auf seine Penicillinallergie. Es war verschwunden. Vermutlich hatte der Räuber es mitgehen lassen, so wie Clives Geld und seinen Ausweis.
    »Ist schon gut, Clive«, beruhigte ihn die Ärztin, »es geht ganz schnell.« Sie führte die Spritze mit der gelben Flüssigkeit in die Kanüle an Clives fixierter Hand ein. Clive versuchte, sich mit der freien Hand den Schlauch aus dem Mund zu reißen. »Nein, lassen Sie das!«, rief die Ärztin und hielt seinen Arm fest. »Schnell, ich brauche Hilfe!«
    Sofort kamen zwei Sanitäter in den Raum gestürmt. Sie hielten Clive an Armen und Beinen fest, drückten ihn auf die Trage.
    »Er ist durcheinander«, erklärte die Assistenzärztin. Dann sagte sie mit viel zu lauter Stimme zu Clive: »Wir wollen Ihnen HELFEN, können Sie das VERSTEHEN? Sie könnten ein kleines bisschen KOOPERATIVER sein!«
    »Ist doch immer wieder ärgerlich, wenn sie sich so anstellen«, sagte einer der Sanitäter. »Wenn sie schon nicht verstehen, was los ist, könnten sie wenigstens stillhalten und uns unseren Job machen lassen.«

    Clive spannte jetzt alle Muskeln an seinem Hals an. Ein ersticktes »Ach« drang aus dem Schlauch. Er lag auf dem Rücken, konnte die Arme nicht mehr bewegen. Der zweite Sanitäter hatte sich auf seine Beine gestützt. Clives Blick wanderte zu Dawn und blieb an ihrem Gesicht hängen. Bitte , flehten seine Augen, um Gottes willen! Seine Hände zuckten. Plötzlich wurde Dawn von Übelkeit gepackt, es war, als kröche ihr ein Tier über den Rücken. Diese Hände hatten also die bösartigen E-Mails verfasst. Sie hatten Mrs. Walker grob gegen den Bettpfosten gestoßen. Sie hatten Milly ein Messer in den Bauch gerammt, zweimal.
    Die Assistenzärztin drückte den Kolben der Spritze herunter. Die Bewegung riss Dawn aus ihrer Trance, und sie trat einen Schritt vor: »Nein!«
    Aber es war zu spät. Sie hatte das Wort kaum ausgesprochen, als die anderen schon unruhig wurden.
    »Was ist los?«
    »Wieder ein Krampfanfall?«
    »Wo ist das Lorazepam?«
    Der Alarm des Beatmungsgeräts ging los. Immer mehr Menschen drängelten sich in dem winzigen Raum.
    »Sein Blutdruck fällt. Das ist ungewöhnlich bei einem Krampfanfall.«
    »Das ist kein Krampf«, sagte jemand, »es liegt am Antibiotikum. Sehen Sie ihn doch an! Er erleidet einen allergischen Schock!«
    Eine dritte Stimme rief: »Kein Puls! Kein Puls! EKG zeigt Kammerflimmern an!«
    Nun drängten sich so viele Leute um die Trage, dass Dawn Clive nicht mehr sehen konnte. Das Aufladegerät des Defibrillators gab einen hohen Jaulton von sich.
    »Zurücktreten!«
    Die Menge teilte sich. Als der Strom Clives Körper durchzuckte,
bäumte er sich auf der Trage auf und zappelte in der Luft wie ein Seehund, um dann mit einem Krachen wieder auf der Trage zu landen.
    »Das Adrenalin, schnell!«
    Die Schwestern wuselten herum, rissen Schubladen auf, räumten Schränke aus. Dawn konnte nichts tun, um zu helfen. Sie kannte sich hier nicht aus, wusste nicht, wo sich was befand und was man als Nächstes tun musste. Sie war hier nur im Weg und verließ den Wiederbelebungsraum. Sie wartete an der Tür, lauschte auf die kurzen Zwischenrufe, auf das Aufreißen von sterilen Verpackungen, auf das Krachen, mit dem Clives Körper nach jedem Stromstoß auf die Trage zurückfiel.
    »Noch einmal, bitte!«
    »Noch einmal.«
    »Noch einmal.«
    Irgendwann zählte sie nicht mehr mit. Sie wusste auch nicht mehr, wie lange sie schon hier draußen auf dem Korridor stand, während die Türen zur Notaufnahme sich öffneten und schlossen und die kalte Zugluft ihr über den Nacken strich. Irgendwann hörte der Krach auf. Dawn wartete darauf, dass irgendjemand sagte: »Das war knapp« oder: »Gut gemacht, Clive! Sie haben es geschafft«, aber sie hörte nichts. Sie lauschte in die Stille, aber keiner sprach ein Wort.

Kapitel 17
    Sie trat, immer noch in Uniform, in einen warmen Sommerregen hinaus.
    Was würde sie heute Nachmittag unternehmen? Was sollte sie tun? In den Park wollte sie nicht, nicht ohne Milly, ihre treue Begleiterin. Sie entfernte sich immer weiter vom Krankenhaus, von der Haltestelle, an der sie normalerweise in den Bus stieg. Sie lief in nördlicher Richtung, über

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