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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Hummus. Es war zehn nach fünf. Auf der Kopfsteinpflasterstraße hinter dem Markt drängelten sich Touristen und Berufstätige, die gerade ihren Arbeitstag beendet hatten. Die Leute saßen auf Barhockern draußen, vor sich ihre Weingläser auf den hohen, als Tisch dienenden Fässern. Feuchte Flecken breiteten sich auf Dawns Papiertüten aus, während sie sich in der Hitze auf den Weg nach Hause machte. Die Wohnung lag in einem hohen, schmalen Gebäude in einer schiefen Altbauzeile. Im Flur war es kühl und dunkel. Im Regal hinter der Tür stapelten sich Werbeprospekte. Kevins Fahrrad stand ans Treppengeländer
gekettet. Anscheinend war er schon daheim. Dawn stieg die Treppe in den zweiten Stock hinauf und steckte den Schlüssel ins Türschloss von Apartment Nummer drei. Kevin war in der Küche. Am Tisch saß eine junge Frau, die sie noch nie gesehen hatte. Zwischen den beiden standen Weingläser und ein Pizzakarton.
    Kevin sprang auf. »Dawn, hallo!« Sein Blick wanderte zwischen dem Mädchen und ihr hin und her. »Ich dachte, du bist bei deiner Oma. Du hast gesagt, du kommst erst morgen zurück.«
    »Na ja. Heute Abend war das Wetter so schön, und ich …« Dawns Handflächen wurden feucht. Irgendetwas in der Tüte war ausgelaufen. Die junge Frau am Tisch tupfte mit dem angefeuchteten Finger die Krümel in der Pizzaschachtel auf.
    »Sie ist die Schwester eines Kumpels von mir und zufällig vorbeigekommen«, erklärte Kevin.
    Die junge Frau lächelte und winkte Dawn zu. »Hi.«
    »Hi«, sagte Dawn.
    Die Frau machte einen netten Eindruck. Sehr nett sogar. Ihr braunes, von blonden Strähnchen durchzogenes Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie war vielleicht fünf oder sechs Jahre jünger als Dawn. Dawn betrachtete ihre glatte, sonnengebräunte Haut, das tief ausgeschnittene grüne Sommerkleid mit den schmalen, gelben Trägern. Kevin stand neben ihr, und auch er starrte die Frau unverhohlen an, so wie Männer im Film Frauen anstarren. Und noch während Dawn dort in der Küche stand, die tropfende, braune Tüte im Arm, wusste sie, dass sie ihn verloren hatte.
    Sie schaffte all ihr Hab und Gut nach Silham Vale zurück und übernahm die Pflege der Großmutter. Sie erkundigte sich nach Rehamaßnahmen, Logopädieprogrammen, neuen Physiotherapien und probierte alles mit Dora aus. »Solche Fortschritte habe ich noch nie gesehen«, sagte Dr. Barnes,
ihr Hausarzt, voller Bewunderung. »Wenn es so weitergeht, kann sie Weihnachten wieder laufen.«
    Aber so weit sollte es nicht kommen. Dora erlitt einen zweiten, noch schlimmeren Schlaganfall.
    Im Nachhinein bereute Dawn ihre Zeit mit Dora keine Sekunde lang. Sie hatte ihre Großmutter geliebt, und Dora hätte – hatte – nicht gezögert, das Gleiche für sie zu tun. Aber nun lebte sie nicht mehr, und zum ersten Mal seit drei Jahren tat sich eine Lücke in Dawns Leben auf. Eine Lücke, die sie mühelos mit Arbeit füllen konnte, wenn sie denn wollte. Aber sie könnte sich auch Francines Rat zu Herzen nehmen und sich ein Hobby suchen. Die Frage war nur – welches?
     
    Als Dawn das Haus Nummer 59 erreicht hatte, begrüßte Milly sie anders als sonst nicht am Gartentor. Als Dawn das Tor aufstieß, wedelte Milly müde mit dem Schwanz, blieb aber auf der Veranda liegen. Sie hechelte und ließ den Kopf hängen.
    »Was ist los, Milly?« Dawn lief über den Gartenpfad. »Ist es wieder deine Arthritis?« Die Wetterumschwünge bereiteten Milly Gelenkprobleme. Manchmal war sie morgens kaum in der Lage, sich aus ihrem Körbchen zu erheben. Aber heute war das Wetter alles andere als nasskalt. Die Hitze ließ den kleinen Vorgarten flimmern, und die Sonne schien direkt auf die Veranda. Schattig war es nur unter dem Verandadach, wo sich allerdings die Wärme staute. Dawn bemerkte es erst, als sie die Glastür beiseiteschob. Millys Atem stank nach Kläranlage, ihre Nase war blass und trocken.
    »Du armes Ding. Du hast Durst, stimmt’s? Komm, und trink etwas.«
    Doch die Plastikschüssel war umgekippt, die Terrakottafliesen längst wieder getrocknet. Milly musste dagegengestoßen sein und sie umgekippt haben.

    »O nein!« Dawn erschrak. »Du armes Tier.«
    Sie trug die Schüssel in die Küche und füllte sie mit kaltem Wasser. Randvoll. Milly stürzte sich darauf und schlabberte sie völlig leer. Dawn füllte sie erneut, und der Hund trank weiter.
    »O weh.« Dawn kniete nieder. »Das tut mir so leid.« Sie strich Milly über den breiten Kopf. In den letzten Monaten war ihr Fell stumpf

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