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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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und spröde geworden. »Was sollen wir tun? Ich kann dich nicht den ganzen Sommer draußen allein lassen.«
    Sie hatten ein Problem. Der Hund war es gewohnt, unter Menschen zu sein. Er war nicht gern allein. Millys Vorbesitzer hatte sie in einem Schuppen ausgesetzt, halb verhungert und von Wunden übersät. Für ihre Rettung war sie unglaublich dankbar gewesen, vor Freude jaulend hatte sie sich an das Mädchen vom Tierschutzverein gedrückt. Sie war so glücklich darüber gewesen, dass jemand sie streichelte und mit ihr redete, dass sie das Futter und Wasser, das man ihr anbot, zunächst ignorierte. Egal, wohin Dora auch gegangen war – zum Einkaufen, in die Kirche, zu ihren Freundinnen –, Milly war ihr jahrelang wie ein kleiner, treuer Schatten gefolgt. Und als Dora zu alt und schwach wurde, um aus dem Haus zu gehen, war Milly immer an ihrer Seite geblieben. Aber auch dann noch hatten sie viel Besuch gehabt. So viele Stunden allein zu verbringen musste eine Qual für Milly sein. Was machte sie den ganzen Tag in dem winzigen Garten? Das war kein Leben für ein so geselliges Tier.
    Milly schlabberte weiter das Wasser auf. Ihr Ohr berührte Dawns Arm. Dawn fühlte sich an etwas erinnert. An den kleinen Jungen im Café, dessen Haar sie gestreift hatte, als die Mutter ihn aus ihren Armen gehoben hatte.
    Du hast dem Jungen das Leben gerettet. Du kannst stolz auf dich sein.

    Will. Dawn stand auf und holte ihre Tasche. Die Serviette war noch da, fein säuberlich in der Seitentasche verstaut. Sie holte sie heraus und faltete sie auseinander. Coombs. Will Coombs. Er hatte ihr angeboten, mit Milly spazieren zu gehen.
    Hatte er es ehrlich gemeint? Wie oft sagten die Leute »Ruf mich an«, ohne es wirklich zu meinen? Er war nett, aber auch ein wenig seltsam, so als könnte er mit Menschen nicht viel anfangen. Dawn betrachtete die bekritzelte Serviette. Vielleicht konnte er mit Menschen nichts anfangen, aber zu Boris hatte er offensichtlich ein gutes Verhältnis. Die zwei schienen recht zufrieden miteinander zu sein. Und die Art und Weise, wie er ihr das Angebot gemacht hatte – es war fast so, als hätte er sie um einen Gefallen gebeten. Er hatte davon gesprochen, wie schön es wäre, in der Stadt einen Hund zu halten.
    Laut sagte sie: »Fragen kostet nichts.« Sie würde es versuchen, Milly zuliebe.
    Sie wählte die Nummer. Ein Klingeln, dann ein Knacken.
    »Hallo?« Eine tiefe, gedehnte, misstrauische Stimme.
    »Hallo. Will?«
    »Ja?«
    »Hier spricht Dawn. Wir haben uns am Samstag im Café getroffen.«
    »Dawn Torridge! Ich erinnere mich.«
    Als sie seine Stimme hörte, hatte sie wieder die nebligen Felder vor Augen, die lange Reihe von Gummistiefeln an der Hintertür.
    Dawn sagte: »Es war wirklich nett, dich nach so vielen Jahren wiederzusehen.«
    »Ja. Ja, das war es.«
    Will klang immer noch misstrauisch, so als fragte er sich, was, zum Teufel, sie sich dabei gedacht hatte, in einfach so
anzurufen. Dawn kam sofort zur Sache. »Ich rufe dich an, weil du gesagt hast, du könntest dir vorstellen, mit meinem Hund spazieren zu gehen.«
    »Ja. Das habe ich gesagt.«
    Schweigen. Dawn wartete darauf, dass er so etwas anfügte wie: »Es wäre mir ein Vergnügen« oder: »Wann denn?« Aber er sagte nichts dergleichen.
    »War das Angebot ernst gemeint?«, fragte sie verunsichert. »Falls ja, glaube ich, dass Milly sich wirklich darüber freuen würde. Aber falls du es dir inzwischen anders überlegt hast, wäre das auch kein Beinbruch.«
    »Nein«, sagte Will. »Nein, das Angebot war ernst gemeint. Wenn Milly möchte, übernehme ich das sehr gern.« Seine förmliche Ausdrucksweise passte eher zu einem Vorstellungsgespräch als zu einer freundschaftlichen Unterhaltung übers Gassigehen.
    »Tja, toll«, sagte Dawn. »Super. Wenn es für dich wirklich okay ist. Sie ist nicht mehr die Jüngste. Manchmal hält sie lange durch, aber an anderen Tagen reicht eine kleine Runde. Sie hat Probleme mit der Hüfte.«
    »Ich verstehe«, sagte er. »Ich werde sie nicht überfordern.« Nein, das konnte Dawn sich wahrlich nicht vorstellen. Sie erinnerte sich daran, wie Will mit Boris umgegangen war. Seine geduldige Art und wie er über die Pfütze gestiegen war, nur damit der Setter an einer Mülltonne schnüffeln konnte. Schon ein wenig selbstbewusster sagte sie: »Wie wollen wir es machen? Beziehungsweise du?«
    »Ich arbeite meistens von zu Hause aus«, erklärte Will. »Wenn ich Pause mache, gehe ich einfach bei meinem Freund vorbei und

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