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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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verzaubert zu haben, jedoch einräumte, als junger Mann durch Zauberei ( nicht in eine Eule, sondern) in einen Esel verwandelt worden zu sein. » Ja, ja«, sagte Sufyan, trat hinaus auf den Korridor und hauchte weißen Winteratem in die hohlen Hände. »Armer Kerl, aber es hat keinen Sinn zu jammern. Gefordert ist eine konstruktive Haltung. Ich werde meine Frau wecken.«
    Chamchas Pelz war struppig und verschmutzt. Er hatte eine Decke wie eine Toga übergeworfen, an deren unterem Rand die komische Entstellung von Ziegenhufen hervorlugte, während darüber eine traurig-komische Schaffelljacke zu sehen war, die er von Jumpy entliehen hatte, den Kragen hochgestellt, so dass sich nur wenige Zentimeter neben den spitzen Bockshörnern einfältige Schafslocken ringelten. Er schien der Sprache nicht mächtig, schwerfällig der Leib, stumpf der Blick, und wiewohl Jumpy sich bemühte, ihn aufzumuntern - » Pass auf, wir werden das gleich haben« -, blieb er, Saladin, ein höchst lahmer und passiver - ja, was? Sagen wir: Satyr.
    Unterdessen spendete Sufyan weiteren apuleischen Trost: »Im Falle des Esels bedurfte die Rückverwandlung der persönlichen Intervention der Göttin Isis«, strahlte er. »Aber das Altertum ist was für alte Knacker. In Ihrem Fall, junger Mann, wäre vielleicht ein Teller kräftiger heißer Suppe der erste Schritt.«
    In diesem Moment wurden seine freundlichen Worte von einer anderen Stimme übertönt, die dramatisch aufschrie.
    Gleich darauf wurde seine gedrungene Gestalt gerempelt und gestoßen von einem Fleischberg von Frau, die sich offenbar nicht entscheiden konnte, ob sie ihn beiseite drängen oder als Schutzschild vor sich her schieben sollte. Hinter Sufyan versteckt, streckte dieses neue Wesen einen bebenden Arm aus, der in einem zittrigen, dunkelrot lackierten Wurstfinger endete. »Da!« heulte sie auf. »Was ist da über uns gekommen?«
    »Ein Freund von Joshi«, sagte Sufyan sanft und wandte sich dann an Chamcha: »Entschuldigen Sie bitte, die Überraschung und so, ja? Trotzdem, darf ich Ihnen meine Frau vorstellen, meine Begum Sahiba, Hind.«
    »Ein Freund? Wie? Was?« rief die sich Duckende. »Ya Allah!
    Die Augen sind ja nicht mal neben der Nase!«
    Der Korridor - rohe Dielen, an der Wand zerfetzte Blümchentapete - füllte sich langsam mit verschlafenen Hausbewohnern, unter denen besonders zwei Teenager auffielen, das eine Mädchen mit Stiftenkopf, das andere mit Pferdeschwanz: Sufyans Töchter, Mishal (siebzehn) und die fünfzehnjährige Anahita, erfreut über die Gelegenheit, ihre bei Jumpy erworbenen Kenntnisse in den Kampfsportarten Karate und Wing Chun zu demonstrieren, stürzten in Kampfkleidung, Bruce-Lee-Pyjama locker über einem T-Shirt mit dem Bild der neuen Madonna, aus ihrem Schlafzimmer, erblickten den armen Saladin und schüttelten den Kopf in großäugigem Entzücken.
    »Stark«, sagte Mishal voller Bewunderung, und ihre Schwester nickte zustimmend: »Astrein! Affengeil!«, ohne diesmal von ihrer Mutter wegen dieser Ausdrucksweise getadelt zu werden, denn Hind war mit den Gedanken woanders, klagte lauter als zuvor. »Schaut euch meinen Mann an! Was für ein Hadschi! Hier kommt der Schaitan persönlich zur Tür hereinspaziert, und ich soll ihm heiße Hühner Yakhni zu essen geben, die ich selbst mit der rechten Hand zubereitet habe!«
    Jeder Versuch Jumpy Joshis, Hind um Toleranz und Solidarität zu bitten, ihr etwas zu erklären, wäre jetzt zwecklos gewesen. »Wenn er nicht der Teufel auf Erden ist«, rief die Dame mit wogender Brust und unwiderlegbarer Logik, »woher kommt diese Pestbeule dann? Etwa aus dem Garten der Wohlgerüche?«
    »Bostan, nicht Gulistan«, sagte Chamcha plötzlich. »Flug AJ-420.« Als Hind aber seine Stimme hörte, kreischte sie furchtbar auf und stürzte an ihm vorbei, in Richtung Küche.
    »Mister«, sagte Mishal zu Saladin, während ihre Mutter die Treppe hinunterfloh, »jeder, der ihr einen solchen Schrecken einjagt, muss wirklich böse sein.«
    »Niederträchtig«, stimmte Anahita zu. »Willkommen an Bord.«
     
    Diese Hind, jetzt so tief in der exklamatorischen Tonart verwurzelt, war früher - seltsam aber wahr - ein überaus schüchternes Mädchen gewesen, eine Seele von Sanftmut, der Inbegriff von Toleranz und guter Laune. Als Frau des belesenen Lehrers aus Dacka hatte sie bereitwillig ihre Pflichten erfüllt, sie war die vollkommene Ehegefährtin gewesen, die ihrem Mann, wenn er spätabends noch Prüfungsarbeiten korrigierte, mit Kardamom

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