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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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gespaltenem Fuß? Wie weit willst du damit noch gehen? Haben Frauen eine Seele, was meinst du? Oder andersherum: haben Seelen ein Geschlecht? Ist Gott schwarz oder weiß? Wenn sich die Wasser des Meeres teilen, wohin geht dann das Extra-Wasser? Richtet es sich zu beiden Seiten auf, wie Mauern? Mishal? Antworte mir. Gibt es Wunder? Glaubst du ans Paradies? Werden mir meine Sünden vergeben werden?« Er begann zu weinen und fiel auf die Knie; den Kopf drückte er noch immer gegen die Wand. Seine sterbende Frau trat zu ihm und umarmte ihn von hinten. »Dann geh mit auf die Pilgerfahrt«, sagte er matt. »Aber nimm wenigstens den Mercedes Kombi mit. Er hat Klimaanlage, und du kannst dir eine Kühltasche mit Cola einpacken.«
    »Nein«, sagte sie sanft. »Wir werden zu Fuß gehen, wie alle anderen. Wir sind Pilger, Said. Dies ist kein Picknick am Strand.«
    »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, weinte Mirza Said Akhtar.
    »Mishu, damit komme ich nicht allein klar.«
    Aischa sprach vom Bett aus. »Mirza Sahib, komm mit uns«, sagte sie. »Deine Ideen haben ausgedient. Komm mit und rette deine Seele.«
    Said stand auf, mit roten Augen. »Einen verdammten Ausflug wolltest du«, sagte er boshaft zu Mrs. Qureishi. »Na, der Schuss ging nach hinten los. Dein Ausflug wird uns fertigmachen, alle sieben Generationen, bums, aus.«
    Mishal legte ihre Wange an seinen Rücken. »Komm mit uns, Said. Komm einfach mit.«
    Er wandte sich um, sah Aischa ins Gesicht. »Es gibt keinen Gott«, sagte er mit fester Stimme.
    »Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammad ist sein Prophet«, erwiderte sie.
    »Das mystische Erlebnis ist eine subjektive, keine objektive Wahrheit«, fuhr er fort. »Die Wasser werden sich nicht öffnen.«
    »Auf Befehl des Engels wird das Meer sich teilen«, antwortete Aischa.
    »Du führst diese Leute in die sichere Katastrophe.«
    »Ich führe sie zu Gott.«
    »Ich glaube nicht an dich«, beharrte Mirza Said. »Aber ich werde mitkommen und mit jedem Schritt, den ich tue, versuchen, diesen Irrsinn zu beenden.«
    »Gott wählt viele Mittel«, jubelte Aischa, »viele Wege, auf denen die Zweifelnden in Seine Geborgenheit gebracht werden.«
    »Geh zur Hölle«, schrie Mirza Said Akhtar und rannte, Schmetterlinge aufscheuchend, aus dem Zimmer.
     
    »Wer ist verrückter«, flüsterte Osman der Clown seinem Ochsen ins Ohr, während er ihn in seinem kleinen Stall striegelte, »die Verrückte oder der Narr, der die Verrückte liebt?« Der Ochse antwortete nicht. »Vielleicht hätten wir unberührbar bleiben sollen«, fuhr Osman fort. »Die Pflichtreise zum Ozean klingt schlimmer als ein verbotener Brunnen.« Und der Ochse nickte, zweimal für Ja, Bum-Bum.

V
EINE STADT:
SICHTBAR, ABER UNGESCHAUT

1

    Einmal eine Eule, welcher Zauber oder welches Gegengift verwandelt mich wieder zur ück in mein wahres Selbst?« Mr. Muhammad Sufyan - Inhaber des Café Shaandaar und Wirt der darüberliegenden Absteige, Mentor der mannigfaltigen, vielfarbigen, immer neuen Gäste, von unerschütterlichem Wesen, allerduldsamster Hadschi und allerungeniertester Videofreak, ehemaliger Lehrer, als Autodidakt mit den klassischen Schriften zahlreicher Kulturen vertraut, hinausgeworfen aus seiner Stellung in Dakka aufgrund kultureller Differenzen mit gewissen Generälen, damals, als Bangladesch lediglich ein Ostflügel war, und daher, wie er es ausdrückte »weniger ein Ein-als ein Raus-oder Mauswanderer« - dies eine humorige Anspielung auf seine geringe Körpergröße, denn trotz beträchtlicher Leibesfülle maß er nicht mehr als einszweiundfünfzig - stand blinzelnd auf der Schwelle seines Schlafzimmers, geweckt durch Jumpy Joshis hartnäckiges mitternächtlich es Klopfen, putzte die halbgefass ten Brillengläser mit einem Zipfel seiner bengalischen Kurta (die Bänder um den Hals zu einer ordentlichen Schleife gebunden), klappte die Lider über kurzsichtigen Augen zu auf zu, setzte die Brille wieder auf, öffnete die Augen, strich sich über den hennagefärbten Backenbart, sog an den Zähnen und reagierte auf die mittlerweile nicht mehr wegzudiskutierenden Hörner auf dem Kopf des zitternden Kerls, den Jumpy, wie eine Katze, hinter sich hergezerrt hatte, mit dem oben zitierten Ausspruch, gestohlen - für einen aus dem Schlaf Gerissenen mit erstaunlicher geistiger Wachheit - bei Lucius Apuleius von Madaura, einem marokkanischen Priester, ca. 120-180 n. Chr., Untertan früherer Kolonialherren, der zwar den Vorwurf bestritt, eine reiche Witwe

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