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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Repräsentanten des Wie-es-war, des wirklichen Lebens. Versuchsweise erzählte er ihnen die Geschichte von Billy Battuta und dem Nerzmantel. Ihre Augen leuchteten, und am Ende klatschten sie begeistert in die Hände und lachten. Ein krummes Ding drehen, sich aber nicht erwischen zu lassen: das fanden sie toll. So müssen, dachte Chamcha, die Leute einstmals geklatscht und gelacht haben über die Taten früherer Banditen, Dick Turpin, Ned Kelly, Phoolan Devi und natürlich dieser andere Billy: William Bonney, auch er ein Kid. »Die nichtsnutzige Jugend und ihre kriminellen Idole.« Mishal hatte seine Gedanken gelesen und übersetzte sie - belächelte seine Missbilligung - in eine Schlagzeile der Boulevardpresse, während sie mit ihrem hochgewachsenen und, wie Chamcha fand, bemerkenswerten Körper eine übertrieben reizvolle Pose einnahm. Sie warf die Lippen zu einem ungeheuerlichen Schmollmund auf und flötete, sehr wohl wissend, dass sie ihn erregt hatte: »Na, Schätzchen?«
    Ihre jüngere Schwester, die sich nicht lumpen lassen wollte, versuchte, Mishals Pose zu kopieren, mit weniger großem Erfolg. Etwas unwirsch gab sie auf und meinte säuerlich: »Die Sache ist die, wir haben gute Chancen, wir beide.
    Familienbetrieb, keine Brüder, was willst du mehr. Diese Bude ist doch ‘ne Goldgrube, hm? Also.« Das Haus Shaandaar wurde in der Kategorie »Bed & Breakfast« geführt, jenem Typ Herberge, auf den die Sozialämter aufgrund der Krise im öffentlichen Wohnungsbau mehr und mehr zurückgriffen: fünfköpfige Familien steckten sie in Einzelzimmer, übersahen dabei geflissentlich Hygiene-und Sicherheitsbestimmungen und forderten von der Regierung Zuschüsse für die »einstweilige Unterbringung Wohnungssuchender«. »Zehn Pfund pro Nacht und Nase«, erfuhr Chamcha von Anahita. »So kommen wir gewöhnlich auf dreihundertfünfzig Pfund wöchentlich für jedes Zimmer. Sechs belegte Zimmer: du kannst’s dir selbst ausrechnen. Im Moment verlieren wir dreihundert Pfund monatlich mit dieser Dachkammer. Ich hoffe also, du fühlst dich wirklich mies.« Für so viel Geld, dachte Chamcha, bekam man schon eine einigermaßen annehmbare Wohnung auf dem privaten Markt. Aber das würde nicht als einstweilige Einquartierung gelten; für derartige Lösungen gäbe es keine staatlichen Zuschüsse. Und die Lokalpolitiker, die sich dem Kampf gegen die »Budgetkürzungen« verschrieben hatten, wären auch dagegen. La lu tte continue; unterdessen scheffelten Hind und ihre Töchter Geld, der weltfremde Sufyan fuhr nach Mekka und gab nach seiner Rückkehr einfache Weisheiten, Freundlichkeit und Lächeln von sich. Und hinter, sechs Türen, die sich jedes Mal , wenn Chamcha telefonierte oder auf die Toilette ging, einen Spaltbreit öffneten: vielleicht dreißig einstweilige menschliche Wesen ohne viel Hoffnung, zu ständigen erklärt zu werden.
    Die wirkliche Welt.
    »Du brauchst nicht so fischgesichtig und heilig zu gucken«, erklärte Mishal Sufyan. »Du siehst ja, wohin dich deine Anständigkeit gebracht hat.«
    »Dein Universum schrumpft.« Hal Valance, Schöpfer der Aliens Show und alleiniger Inhaber aller Urheberrechte, nahm sich, vielbeschäftigter Mann, der er war, exakt siebzehn Sekunden, um Chamcha zu gr atulieren, dass er am Leben war, bevor er zu erklären begann, warum dies nichts an seiner Entscheidung ändere, bei der Show auf seine Dienste zu verzichten. Valance hatte in der Werbebranche angefangen, und von diesem Schlag hatte sich sein Vokabular nicht mehr erholt. Chamcha konnte freilich mithalten. In all seinen Jahren als Off-Sprecher hatte er den einen oder anderen unanständigen Ausdruck gelernt. In der Marketingsprache war ein »Universum« der gesamte potentielle Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung: das Schokoladen-Universum, das Schlankheits-Universum. Das Zahn-Universum umfasste alle Menschen mit eigenen Zähne n, die anderen waren das Gebiss - Universum. »Ich rede«, keuchte Valance mit seiner besten Deep-Throat-Stimme ins Telefon, »vom Immigranten-Universum.«
    Schon wieder mein Volk: Chamcha, verkleidet in Turban und den anderen, schlecht sitzenden Frauensachen, hing in der Diele am Telefon, während die Augen nicht-ständiger Frauen und Kinder durch nur einen Spaltbreit geöffnete Türen funkelten; und fragte sich, was sein Volk ihm diesmal angetan hatte. »Nixe kapiere«, sagte er, sich an den Italo-Slang erinnernd, den Valance so mochte, der immerhin der Schöpfer des Fast-Food-Spruchs Getta pizza da

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