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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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noch länger über den japanischen Film, sage ich dir, Chamcha, dass ich mir über Billyboys Ruf völlig im Klaren bin. Komm mir nicht mit Ausbeutung. Wir wurden ausgebeutet, als ihr noch in Fellen rumgelaufen seid. Stell dir mal vor, du bist eine Jüdin und obendrein noch hässlich . Du wirst darum betteln, schwarz zu sein. Entschuldige: braun.«
    »Du gibst also zu, dass er dich ausbeutet«, fuhr Chamcha fort, doch ein Wortschwall fegte ihn beiseite. »Na und, was macht das schon?« trillerte sie in ihrer Backmischungsstimme. »Billy ist ein komischer Kerl, der geborene Gauner, einer der ganz Großen. Wer weiß, wie lange noch. Ich werd’ dir sagen, worauf ich verzichten kann: Patriotismus, Gott und Liebe. Kein Bedarf.
    Ich mag Billy, weil er weiß, worauf es ankommt.«
    »Mimi«, sagte er, »mit mir ist etwas passiert.« Aber sie ereiferte sich immer noch und überhörte ihn. Er legte den Hörer auf, ohne ihr seine Adresse gegeben zu haben.
    Ein paar Wochen später rief sie noch einmal an, die u nausgesprochenen Präzedenzfälle waren inzwischen geschaffen, sie erkundigte sich nicht nach seiner Adresse, und er gab sie ihr nicht, und beiden war klar, dass eine Epoche zu Ende war, ihre Wege hatten sich getrennt, es war Zeit, e inander Lebewohl zu sagen. Bei Mimi drehte sich noch immer alles um Billy, seine Pläne, indische Filme in England und Amerika zu produzieren, die größten Stars, Vinod Khanna und Sridevi, einzufliegen und sie vor dem Rathaus von Bradford und der Golden Gate Brücke herumhüpfen zu lassen. »Ist natürlich irgendeine Art Steuertrick«, kicherte Mimi. Tatsächlich war es für Billy brenzlig geworden; Chamcha hatte seinen Namen in der Zeitung gelesen, im Zusammenhang mit den Ausdrücken Betrugsdezernat und Steuerflucht. Aber einmal ein Gauner, immer ein Gauner, meinte Mimi. »Da sagt er zu mir, willst du einen Nerz? Ich sag’, Billy, kauf mir keine Klamotten, aber er sagt, wer redet denn von kaufen? Du brauchst einen Nerz.
    Reine Geschäftssache.« Sie waren wieder in New York gewesen, und Billy hatte eine riesige Mercedes-Limousine gemietet, »plus einen riesigen Chauffeur.« Als sie das Pelzgeschäft betraten, sahen sie aus wie Ölscheich und Gespielin. Mimi probierte die fünfstelligen Pelze an, wobei sie immer auf ein Zeichen von Billy wartete. Schließlich sagte er, gefällt dir der? Ist hübsch. Billy, flüsterte sie, er kostet vierzigtausend, aber er umgarnte bereits den Verkäufer, es sei Freitagnachmittag, die Banken geschlossen, ob er einen Scheck nehme. »Na ja, mittlerweile wissen sie, dass er ein Ölscheich ist, also sagen sie ja, wir mit dem Mantel raus, fahren eine Straße weiter, in einen anderen Laden, er zeigt auf den Mantel und sagt, den da habe ich gerade für vierzigtausend Dollar gekauft, hier ist die Quittung, geben Sie mir dreißigtausend dafür, ich brauche Geld, habe am Wochenende einiges vor.« Mimi und Billy mussten warten, während der zweite Laden den ersten anrief, im Kopf des dortigen Geschäftsführers schrillten sämtliche Alarmglocken, und fünf Minuten später erschien die Polizei und nahm Billy unter der Beschuldigung fest, mit einem ungedeckten Scheck bezahlt zu haben, und er und Mimi verbrachten das Wochenende im Gefängnis. Montag früh, als die Banken öffneten, stellte sich heraus, dass Billys Konto ein Guthaben von zweiund vierzigtausendeinhundertsiebzehn Dollar aufwies, sein Scheck also die ganze Zeit gedeckt gewesen war. Er teilte dem Pelzhändler mit, dass e r ihn auf zwei Millionen Dollar Schadenersatz wegen Rufschädigung zu verklagen gedenke, der Fall lag sonnenklar, und innerhalb von achtundvierzig Stunden hatte man sich außergerichtlich auf eine Entschädigungssumme von zweihundertfünfzigtausend Dollar geeinigt, bar auf die Hand. »Findest du ihn nicht toll?« fragte Mimi. »Der Junge ist genial. Ich meine, das hatte einfach Klasse.«
    Ich bin ein Mann, dachte Chamcha, der nicht weiß, worauf es ankommt, und lebe in einer unmoralischen Welt, einer Ellbogengesellschaft, in der man mit Frechheit weiterkommt.
    Mishal und Anahita Sufyan, die ihn aus unerfindlichen Gründen noch immer als eine Art Gesinnungsgenossen behandelten, trotz all seiner Bemühungen, sie davon abzubringen, waren Menschen, die Schwarzarbeiter, Ladendiebe, kleine Betrüger, ganz allgemein: gewitzte Gauner offenkundig bewunderten. Er verbesserte sich: nicht bewunderten, das nicht. Keine von ihnen würde auch nur eine Stecknadel klauen. Aber sie betrachteten solche Leute als

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