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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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inkompetenten Scheißkerlen aus Surrey und Hampshire, her mit den Neuen.
    Leute ohne Hintergrund, ohne Geschichte. Hungrige Leute.
    Leute, die wirklich was wollen und wissen, dass sie mit ihr wirklich alles bekommen. Noch nie hat jemand versucht, eine ganze Klasse durch eine andere zu ersetzen, und das Erstaunliche ist, dass sie es schaffen wird, wenn die anderen nicht schneller sind. Die alte Kl asse. Die Toten. Wenn du weißt, was ich meine.« »Ja, ja«, log Chamcha. »Und nicht bloß die Geschäftsleute«, nuschelte Valance. »Auch die Intellektuellen.
    Weg mit dem ganzen schwulen Gesocks. Her mit den hungrigen Typen, die auf die falsche Schule gegangen sind.
    Neue Professoren, neue Künstler, alles neu. Eine blutige Revolution. Dieses England, in dem es nur so wimmelt von alten, stinkenden Leichen, wird völlig umgekrempelt. Da wird’s was zu sehen geben. Gibt’s schon heute.«
    Mit gelangweiltem Gesicht kam Baby zu ihnen heraus. »Wird Zeit, dass du verschwindest, Chamcha«, kommandierte ihr Mann. » Sonntagnachmittag gehen wir immer ins Bett und gucken uns Pornovideos an. Es ist eine ganz neue Welt, Saladin. Irgendwann muss jeder beitreten.«
    Keine Kompromisse. Mitmachen oder untergehen. Das war nicht Chamchas Art; weder seine noch die Art jenes Englands, das er bewundert hatte und das zu erobern er gekommen war.
    Er hätte es sofort und auf der Stelle verstehen müssen: Er wurde, war gewarnt worden.
    Und dann der Gnadenstoß: »Nimm’s nicht so schwer«, murmelte Valance in sein Ohr. » Lasse dich mal wieder blicken, ja? Also dann.«
    »Hal«, zwang er sich einzuwenden, »ich habe einen Vertrag.« Wie eine Ziege zum Metzger. Die Stimme an seinem Ohr klang jetzt offen amüsiert. »Stell dich nicht so an«, sagte sie. »Von wegen Vertrag. Lies mal das Kleingedruckte! Nimm dir einen Anwalt, er soll dir das Kleingedruckte vorlesen. Bring mich vor den Kadi. Tu, was du nicht lassen kannst. Mich kratzt das nicht. Hast du ‘s nicht kapiert? Du bist Geschichte.«
    Aufgelegt.
     
    Im Stich gelassen von einem fremden England, gestrandet in einem anderen, erhielt Mr. Saladin Chamcha in seiner tiefen Niedergeschlagenheit Nachricht von einem alten Kameraden, der es offensichtlich besser getroffen hatte. Der Schrei seiner Wirtin -»Tini bénché achén !« - informierte ihn, dass etwas passiert war. Hind schlingerte die Korridore des Shaandaar Bed and Breakfast auf und ab und wedelte dabei - wie sich herausstellte - mit der jüngsten Nummer des importierten indischen Filmmagazins Ciné-Blitz herum. Türen gingen auf, einstweilige Wesen steckten die Köpfe heraus, blickten verwirrt und erschrocken. Mishal Sufyan kam aus ihrem Zimmer, mit viel nackter Haut zwischen dem kurzen Top und der 501. Aus dem Büro, das er am anderen Ende des Korridors unterhielt, trat Hanif Johnson, in einem absurd eleganten Dreiteiler, kollidierte mit der nackten Taille und bedeckte sein Gesicht.
    »Gott sei mir gnädig«, betete er. Mishal ignorierte ihn und schrie ihrer Mutter hinterher: »Was ist los? Wer lebt?«
    »Schamlose!« rief Hind durch den Korridor, »bedecke deine Blößen.«
    »Fresse!« murmelte Mishal und sah Hanif Johnson aufmüpfig an. »Und die Rettungsringe, die zwischen ihrem Sari und ihrem Choli hervorquellen, was ist damit?« Ganz hinten, im Dämmerlicht am anderen Ende des Flurs, war zu sehen, wie Hind mit dem Ciné-Blitz vor den Mietern herumfuchtelte und immer wieder »Er lebt« rief, mit der Inbrunst jener Griechen, die nach dem Verschwinden des Politikers Lambrakis überall im Land mit weißer Farbe den Buchstaben Z aufmalten. Zet: Er lebt.
    »Wer?« fragte Mishal erneut.
    »Gibril«, erscholl der Ruf nicht-ständiger Kinder. »Farishta bénché achén.« Hind verschwand nach unten, sah nicht, wie ihre ältere Tochter in ihr Zimmer zurückging, die Tür weit offen ließ, und ihr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, der stadtbekannte Rechtsanwalt Hanif Johnson folgte, in Anzug und Stiefeln, der hier ein Büro unterhielt, um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren, zudem noch eine elegante, florierende Kanzlei im Zentrum hatte, über gute Beziehungen zu den örtlichen Vertretern der Labour Party verfügte und von dem gegenwärtigen Abgeordneten beschuldigt wurde, er arbeite darauf hin bei einer möglichen Nachwahl seinen Platz einzunehmen.
    Wann wurde Mishal achtzehn? In ein paar Wochen erst. Und wo war ihre Schwester, Zimmergefährtin, Kumpel, Schatten, Echo und Abziehbild? Wo war die

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