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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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zu werden, wohlgemerkt nur unter denen, die Hal Valance als »gefärbte Sorte« bezeichnet hatte. Während die nicht-gefärbten Neo-Georgianer von einem schwefelspeienden Ungeheuer träumten, das ihre perfekt restaurierten Häuser mit seinem rauchenden Huf zermalmte, sahen sich Braune-und-Schwarze im Schlaf diesem Was-denn-sonst-wenn-nicht-Schwarzen applaudieren, der durch Schicksal Klasse Rasse Geschichte vielleicht ein wenig entstellt war, schon möglich, der sich aber aufrappelte und, mehr recht als schlecht, Bewegung in den Laden brachte.
    Zuerst waren die Träume Privatsache, aber sehr bald drangen sie auch in den helllichten Alltag ein, asiatische Händler und Fabrikanten von Buttons Sweatshirts Postern verstanden die Macht des Traumes, und plötzlich war er überall, auf dem Busen junger Mädchen und in zum Schutz vor Steinewerfern vergitterten Schaufenstern, er war Herausforderung und Warnung. Sympathy for the Devil: ein alter Song in neuem Gewand. Die Kids auf der Straße fingen an, Gummihörner auf dem Kopf zu tragen, so wie sie ein paar Jahre zuvor, Marsmenschen imitierend, Kappen mit Drähten getragen hatten, an denen pinkfarbene und grüne Bälle steckten. Das Symbol des Ziegenbockmannes, die machtvoll erhobene Faust, tauchte bei Demonstrationen auf Spruchbändern auf, Rettet die Sechs, Freiheit für die Vier, Esst die Siebenundfünfzig von Heinz. Pleasechu meechu, sangen die Radios, hopeyu guessma nayym. Die örtliche Polizei bezeichnete den »unter jungen Schwarzen und Asiaten um sich greifenden Teufelskult« als eine »beklagenswerte Tendenz«
    und benutzte dieses »Wiederaufleben von Satanismus«, um sich gegen die Beschuldigungen von Ms. Pamela Chamcha und dem örtlichen AMKA zu wehren: »Wer sind denn die Hexen?« »Chamcha«, sagte Mishal aufgeregt, »du bist ein Held. Ich meine, die Leu te können sich wirklich mit dir identifizieren. Das ist ein Image, das die Weißen schon so lange abgelegt haben, dass wir es nehmen können, besetzen, bewohnen, zurückfordern, uns zu eigen machen können. Es wird Zeit, dass du was unternimmst.«
    »Verschwinde«, rief Saladin in seiner Verwirrung. »Das habe ich nicht gewollt. Das war nicht meine Absicht, nie und nimmer.«
    »Du wächst langsam aus der Dachkammer heraus«, meinte Mishal verstimmt. »Bald wird es hier zu eng für dich sein.«
    Keine Frage, die Lage spitzte sich zu.
     
    »Gestern ahmd is wieder ne alte Frau alle gemacht worn«, verkündete Hanif in seinem gekünstelten Trinidad-Akzent.
    »Jezz kriegt se keine Rente mehr.« Anahita Sufyan, die hinter der Theke des Café Shaandaar stand, klapperte mit Tassen und Tellern. »Ich weiß nicht, warum du so sprichst«, beschwerte sie sich. »Macht mich echt sauer.« Hanif ignorierte sie, setzte sich neben Jumpy , der geistesabwesend murmelte: »Was haben sie gesagt?« Die Aussicht, Vater zu werden, lastete schwer auf Jumpy Joshi, aber Hanif schlug ihm auf den Rücken. »Na Bruder, deine Gedichte verkaufen sich wohl nicht gut?« sagte er mitleidsvoll. »Siehst aus, als wäre dein Fluss aus Blut geronnen.« Ein Blick von Jumpy, und er änderte den Tonfall. »Sie sagen, was sie sagen«, antwortete Hanif.
    »Vorsicht vor Farbigen, die in A utos herumfahren. Tja, wenn sie ‘ne Schwarze gewesen wäre, würde es heißen ›Kein Grund, rassische Motive zu unterstellen ‹. Ich sage dir«, fuhr er fort, »manchmal bekomme ich eine Wahnsinnsangst vor dem Aggressionspotential, das in dieser Stadt knapp unter der Oberfläche brodelt. Es ist nicht bloß der Omamörder. Es ist überall. Du fällst in der U-Bahn während des Berufsverkehrs in die Zeitung eines anderen, und schon läufst du Gefahr, die Fresse poliert zu kriegen. Alle sind so furchtbar gereizt, scheint mir. Einschließlich dir, mein Freund«, sagte er. Jumpy stand auf, entschuldigte sich und g ing ohne ein Wort der Erklärung hinaus. Hanif breitete die Arme aus und warf Anahita sein gewinnendstes Lächeln zu. »Was hab’ ich bloß getan?«
    Anahita lächelte süß zurück. »Kannst du dir vorstellen, Hanif, dass andere Leute dich vielleicht nicht besonders leiden können?«
    Als bekannt wurde, dass der Omamörder erneut zugeschlagen hatte, hörte man immer öfter, dass sich die abscheulichen Morde an alten Frauen, verübt von einem »Satan in Menschengestalt«, der stets die inneren Organe seiner Opfer hübsch ordentlich um die Leichen drapierte, eine Lunge neben einem Ohr, und das Herz, aus offensichtlichen Gründen, im Mund, höchstwahrscheinlich

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