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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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königlichen Familie, nützliche Politiker und ähnliches Gesindel transpirieren und mischen sich in diesen falschen Straßen mit zahlreichen Männern und Frauen, die so schweißglitzernd sind wie die »wirklichen« Gäste und so falsch wie die Stadt: gemietete Komparsen in zeitgenössischen Kostümen, dazu eine Auswahl der Hauptdarsteller des Films. Chamcha, der in dem Augenblick, da er ihn sieht, weiß, dass dieses Treffen der alleinige Zweck seiner Reise war - dieses Faktum hat er bis zu diesem Moment erfolgreich von sich ferngehalten -, erspäht Gibril in der zunehmend zügellosen Menge.
    Ja: dort auf der London Bridge Welche Aus Stein, ohne jeden Zweifel, Gibril! Und das muss seine Alleluja sein, seine Eisprinzessin! Welch entrückten Ausdruck er auf dem Gesicht trägt, wie er sich leicht nach links neigt, und wie sie ihn anschmachtet - wie jeder ihn bewundert: denn er ist der Allergrößten einer auf der Party, Battuta zu seiner Linken, Sisodia zu Allies Rechten, und um sie herum schwirren massenweise Gesichter, die man von Peru bis Timbuktu erkennen würde! Chamcha drängt sich durch die Menge, die immer dichter wird, je mehr er sich der Brücke nähert; aber er ist entschlossen - Gibril, er wird Gibril erreichen! -, als mit einem Beckenschlag laute Musik aufbraust, eine von Mr. Benthams unsterblichen, applausträchtigen Melodien, und die Menge teilt sich wie das Rote Meer vor den Kindern Israel. Chamcha, aus dem Gleichgewicht geraten, taumelt zurück, wird von der sich teilenden Menge gegen ein falsches Fachwerkgebäude gedrückt - ein Raritätenladen, was sonst? - und, um sich zu retten, schlüpft er dort hinein, während eine große Sängerschar vollbusiger Damen in Spitzenhauben und Rüschenblusen, begleitet von mehr als genug angst röhrenbehüteter Herren, die Fluss straße herangewalzt kommt und aus vollem Halse singt.
    Was ist unser gemeinsamer Freund für ein Mann?
    Was ist sein Plan?
    Ist er ein Schlitzohr oder ein Kumpan?
    &c. &c. &c.
    »Das war vielleicht komisch«, sagte eine Frauenstimme hinter ihm, »als wir die Show im C-Theater machten, da hatte die ganze Truppe einen Lustanfall; nach meiner Erfahrung ohne Beispiel. Die Leute verpassten wegen der Faxen in den Kulissen schon ihren Einsatz.«
    Die das sagt, bemerkt er, ist jung, klein, drall, alles andere als unattraktiv, feucht von der Hitze, vom Wein durchflutet und offensichtlich gepackt von dem libidinösen Fieber, von dem sie redet. Der »Raum« ist schwach beleuchtet, aber er kann das Funkeln in ihren Augen erkennen. »Wir haben Zeit«, fährt sie sachlich fort. »Wenn das zu Ende ist, kommt Mr. Podsnaps Solo«.
    Worauf sie sich in eine gekonnte Parodie der aufgeblasenen Positur des Agenten der Schiffsversicherung arrangiert und ihre Version der Musical-Podsnapperei beginnt: Wir haben eine wortreiche Sprache, Für Ausländer schwer offenbar; Wir sind als Nation was Besondres, Gesegnet und frei von Gefahr…
    Jetzt wendet sie sich in Rex-Harrisonschem Sprechgesang an einen unsichtbaren Fremden. »Und Wie Gefällt Ihnen London? -›Uhngehäuerling prächtig?‹ - Ungeheuer Prächtig, sagen wir. Unsere englischen Adverbien enden nicht auf Ling.
    Und Finden Sie, Sir, Viele Beweise unserer Britischen Verfassung auf den Straßen der Weltmetropole London, Londres, London? Ich würde sagen«, setzt sie hinzu, noch immer podsnappend, » dass der Engländer eine Kombination von Eigenschaften in sich vereinigt, eine Bescheidenheit, eine Unabhängigkeit, eine Verantwortung, eine Gelassenheit, welche man unter den Völkern der Erde vergeblich suchen würde.«
    Das Geschöpf hat sich, während es diese Zeilen aufsagte, Chamcha genähert, hat sich dabei die Bluse aufgeknöpft, und er, Mungo ihrer Kobra, steht da wie angewurzelt, während sie eine wohlgeformte rechte Brust entblößt, sie ihm darbietet und darauf verweist, dass sie - als ein Akt des Bürgerstolzes – den Stadtplan von London, nichts weniger, mit einem roten Leuchtstift darauf gemalt hat, der Fluss ganz in Blau. Die Metropole ruft ihn zu sich; er aber stößt einen gänzlich Dickensschen Schrei aus und kämpft sich aus dem Raritätenladen hinaus in den Wahnsinn der Straße.
    Gibril sieht von der London Bridge aus direkt zu ihm her; ihre Blicke - so jedenfalls scheint es Chamcha - begegnen sich. Ja: Gibril hebt einen gelangweilten Arm und winkt.
     
    Was nun folgt, ist Tragödie. Oder zumindest das Echo von Tragödie, das vollblütige Original, heißt es, steht modernen Männern und Frauen

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