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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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er, auf einer Ebene, die tiefer als das Bewusste lag, akzeptiert, dass dieses teuflische, kindliche Böse es war, das ihm endgültig den Rest geben würde.
     
    Doch oh, wie leicht sich alles erwies! Wie behaglich das Böse in den geschmeidigen, unendlich flexiblen Stimmbändern nistete, jenen Puppenmeisterschnüren! Wie sicher es auf den hohen Drähten des Telefonsystems wandelte, balancierend wie ein barfüßiger Akrobat; wie selbstsicher es sich dem Opfer näherte, seiner Wirkung gewiss wie ein gutaussehender Mann in einem maßgeschneiderten Anzug! Und wie sorgsam es den rechten Augenblick abwartete, alle Stimmen der einen voranschickte, die dann den Gnadenstoß versetzte - denn auch Saladin hatte die besondere Mach t des Knittelverses begriffen - , tiefe Stimmen und quieksige Stimmen, langsame, schnelle, traurige und fröhliche, aggressionsgeladene und schüchterne.
    Eine nach der anderen tropften sie Gibril ins Ohr, schwächten seinen Halt in der wirklichen Welt, zogen ihn Stück für Stück in ihr trügerisches Netz, so dass ihre obszönen, erfundenen Frauen die wirkliche Frau Stück für Stück wie mit einem zähflüssigen grünen Film überzogen, und trotz seiner Beteuerungen des Gegenteils entglitt er ihr zunehmend; und dann war es Zeit für die Rückkehr der kleinen, satanischen Verse, die ihn verrückt gemacht hatten.
    Rosen sind lieb, Veilchen sind schön, Am liebsten hab’ ich dein Gestöhn.
    Gib das weiter. Er kam so unschuldig zurück wie eh und je und ließ in Gibrils verkrampften Magen Schmetterlinge tanzen.
    Danach kamen die Reime knüppeldick. Sie konnten die Unflätigkeit des Schulhofs annehmen:
    Wenn sie ist in Waterloo Nehme ich sie auf dem Klo, Wenn sie ist am Leicester Square Trägt sie nichts auf ihrem Bär; oder das eine oder andere Mal auch im Rhythmus eines Sprechchors.
    Zickezacke, Hühnerkacke, Zisch! Bum! Bah! Alleluia! Alleluia!
    Rah! Rah! Rah!
    Und schließlich, als sie nach London zurückgekehrt waren und Allie der feierlichen Eröffnung eines Tiefkühlsupermarkts in Hounslow beiwohnte, der letzte Reim.
    Veilchen sind lieb, Rosen sind nett, Ich hab sie hier bei mir im Bett.
    Wiedersehn, Trottel. Freizeichen.
     
    Als Alleluja Cone nach Hause kam, war Gibril nicht mehr da, und in der verwüsteten Stille ihrer Wohnung beschloss sie, ihn nicht noch einmal wiederaufzunehmen, gleich, in welch traurigem Zustand und wie winselnd er auch angekrochen kam und um Verzeihung und um Liebe flehte; denn bevor er gegangen war, hatte er schreckliche Rache an ihr genommen, hatte jeden einzelnen der Ersatzhimalajas zerstört, die sie über die Jahre gesammelt hatte, hatte den Eis-Everest abgetaut, den sie im Kühlschrank aufbewahrte, die Fallschirmseidegipfel, die über ihrem Bett aufragten, heruntergerissen und zerfetzt und das unbezahlbare, geschnitzte Andenken an ihre Besteigung des Chomolungma, das ihr Pemba, der Sherpa, zur Warnung wie auch zum Gedenken geschenkt hatte - Für Ali Bibi. Wir hatten Glück. Keine weiteren Versuche. -, in Stücke gehackt (er hatte die kleine Axt genommen, die sie zusammen mit dem Feuerlöscher im Besenschrank aufbewahrte).
    Sie riss Schiebefenster auf und überhäufte die unschuldigen Fields mit Beschimpfungen. »Langsam sollst du sterben. In der Hölle sollst du braten!«
    Dann rief sie weinend Saladin Chamcha an, um ihm die schlimme Kunde zu berichten.
    Mr. John Maslama, Besitzer des Hot-Wax-Nachtclubs, der Schallplattenladenkette gleichen Namens, und von Fair Winds, dem legendären Geschäft, wo man die besten Blasinstrumente - Klarinetten, Saxophone, Posaunen - in ganz London kaufen konnte, war ein beschäftigter Mann, so dass er den glücklichen Umstand, dem er seine Anwesenheit in dem Trompetenladen verdankte, just als Gottes Erzengel, Blitz und Donner wie Lorbeer auf der edlen Stirn, eintrat, dem Eingreifen der Göttlichen Vorsehung zuschrieb. Da Mr. Maslama ein praktisch denkender Geschäftsmann war, hatte er seinen Angestellten bis zu diesem Zeitpunkt seine Nebentätigkeit als oberster Herold des wiedergekehrten himmlischen und halbgottgleichen Wesens verschwiegen, hatte nur dann Plakate ins Schaufenster gehängt, wenn er sich unbeobachtet wähnte, hatte es unterlassen, die großen Anzeigen zu unterzeichnen, die er in Zeitungen und Zeitschriften unter hohen persönlichen Kosten platzierte und die die bevorstehende Herrlichkeit der Ankunft des Herrn verkündeten. Er gab Pressemeldungen über eine PR-Tochter der Valance-Agentur heraus, wobei er um sorgfältige

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