Die Satanischen Verse
Essen; das daraus sich ergebende Handgemenge endete mit einer Anklage gegen drei bengalische Kellner wegen Beleidigung und Körperverletzung; das speiende Quartett dagegen wurde nicht festgenommen. Geschichten von Polizeibrutalität, von schwarzen Jugendlichen, die blitzartig in die Zivilfahrzeuge und Kleinbus se der Sondereinsatzpatrouillen gezerrt und, ebenso diskret und zerschunden und mit blauen Flecken übersät, wieder hinausgeworfen wurden, verbreiteten sich unter der Bevölkerung. Selbstverteidigungspatrouillen junger Sikhs, Bengalis und Afrowestinder - von ihren politischen Gegnern als Selbstjustizgruppen bezeichnet — begannen, den Stadtteil zu durchstreifen, zu Fuß und in alten Ford Zodiacs und Cortinas, entschlossen, nicht »untätig zuzusehen«. Hanif Johnson sagte seiner Freundin, Mishal Sufyan, die bei ihm wohnte, seiner Meinung nach werde beim nächsten Omamord die Sicherung durchbrennen. »Dieser Killer lacht sich nicht nur ins Fäustchen, weil er frei herumläuft«, sagt er. »Er lacht auch über Simbas Tod, und das können die Leute nicht verdauen.«
In einer ungewöhnlich schwülen Nacht kam Gibril Farishta durch diese kochenden Straßen und blies in sein goldenes Horn.
An jenem Abend, einem Samstag, acht Uhr, stand Pamela Chamcha zusammen mit Jumpy Joshi - der sich geweigert hatte, sie ohne Begleitung losziehen zu lassen neben dem Fotofix-Automaten in einer Nische der Haupthalle des Bahnhofs Euston und kam sich lächerlich konspiratorisch vor. Um acht Uhr fünfzehn trat ein drahtiger junger Mann auf sie zu, der ihr größer erschien, als sie ihn in Erinnerung hatte; sie folgten ihm wortlos, sie und Jumpy stiegen in seinen zerbeulten blauen Lieferwagen und wurden zu einer kleinen Wohnung über einem Stehausschank in der Railton Road, Brixton, gefahren, wo Walcott Roberts sie seiner Mutter, Antoinette, vorstellte. Die drei Männer, die Pamela später, aus Gründen, die sie als stereotyp erachtete, für Haitianer hielt, wurden nicht vorgestellt.
»Trinken Sie ein Glas Ingwerwein«, kommandierte Antoinette Roberts. »Ist auch gut für das Baby.«
Als Walcott mit den Honneurs fertig war, kam Mrs. Roberts, die in einem voluminösen und abgewetzten Sessel saß (ihre überraschend blassen Beine, streichholzdünn, ragten unter ihrem schwarzen Kleid hervor, um in rebellischen rosa Söckchen und vernünftigen Schnürschuhen zu enden, und reichten bei weitem nicht auf den Boden), zur Sache. »Diese Herren waren Kollegen meine s Jungen«, sagte sie. »Wie sich gezeigt hat, war der Grund für seine Ermordung möglicherweise, dass er an einem Thema gearbeitet hat, das, wie man mir sagte, auch für Sie von Interesse ist. Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, offizieller vorzugehen, die Kanäle zu benutzen, die Sie repräsentieren.« An dieser Stelle reichte einer der drei schweigsamen »Haitianer« Pamela eine rote Plastikmappe. »Darin sind«, erklärte Mrs. Roberts sanft,
»umfassende Beweise für die Existenz von Hexenzirkeln in der ganzen Londoner Polizei.«
Walcott stand auf. »Wir gehen jetzt besser«, sagte er bestimmt. »Bitte.« Pame la und Jumpy erhoben sich. Mrs. Roberts nickte knapp, geistesabwesend, knackte mit den Gelenken ihrer schlaffhäutigen Hände. »Auf Wiedersehen«, sagte Pamela und sprach ein konventionelles Beileid aus.
»Mädchen, spar dir deinen Atem«, unterbrach Mrs. Roberts sie.
»Nagle mir nur diese Hexenmeister fest. Nagle sie durchs Herz.«
Walcott Roberts ließ sie um zehn in Notting Hill aussteigen.
Jumpy hatte einen bösen Husten und klagte über die Kopfschmerzen, die seit seiner Verletzung in Shepperton wiederholt aufgetreten waren, doch als Pamela einräumte, dass sie etwas nervös sei, weil sie das einzige Exemplar dieser explosiven Dokumente in ihrer Plastikmappe hatte, bestand Jumpy sofort darauf, sie zum Amt für multikulturelle Angelegenheiten von Brickhall zu begleiten, wo sie die Unterlagen kopieren wollte, um sie anschließend an bewährte Freunde und Kollegen zu verteilen. So kam es, dass sie um zehn Uhr fünfzehn in Pamelas geliebtem MG saßen und die Stadt Richtung Osten durchquerten, hinein in den sich zusammenbrauenden Sturm. Ein alter blauer Mercedes-Lieferwagen folgte ihnen, wie er auch schon Walcott gefolgt war, nämlich unbemerkt.
Eine Viertelstunde zuvor war eine Streife mit sieben kräftigen jungen Sikhs, in einen Vauxhall Cavalier gezwängt, über die Kanalbrücke beim Malayan Crescent in Süd-Brickhall gefahren.
Sie hörten einen
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