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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Füße schmerzten wieder.
    Sie reckte das Kinn und schritt weiter.
    Saladin Chamcha, der sich hinter der Rotbuche, von der aus Maurice Wilsons Geist Allies schmerzhaften Gang betrachtete, versteckt hielt, beobachtete, wie Gibril Farishta aus der Haustür des Wohnblocks herausschoss , in dem er ungeduldig auf ihre Rückkehr gewartet hatte; beoba chtete, dass er rotäugig war und raste. Die Dämonen der Eifersucht hockten ihm auf der Schulter, und er brüllte das uralte Lied heraus, wozumTeufel werzum was -zum glaubnichtdaßdumichzumNarren wiekannstdueswagen Aas-AasAas. Anscheinend war Strindberg erfolgreich gewesen, wo Jumpy (da abwesend) gescheitert war.
    Der Zuschauer auf den oberen Ästen löste sich auf; der andere schlenderte, zufrieden nickend, eine Allee schattiger, ausladender Bäume entlang.
     
    Die Telefonanrufe, welche nun, erst in ihrer Londoner Wohnung, später dann in einem abgeschiedenen Haus in Dumfries und Galloway, von Allie wie auch Gibril entgegengenommen wurden, waren nicht sehr häufig; andererseits konnte man sie auch nicht selten nennen. Auch waren es nicht zu viele Stimmen, um plausibel zu sein, andererseits waren es durchaus genug. Es waren keine kurzen Anrufe wie jene, wie sie von Stöhnern und anderen Missbrauchern des Telefonnetzes getätigt wurden, andererseits waren sie nicht lang genug, damit die Polizei, die mithörte, den Anschluss bestimmen konnte. Auch dauerte diese unappetitliche Episode nicht sehr lange; sie war nur eine Sache von dreieinhalb Wochen, danach verstummten die Anrufe für immer; allerdings ist es der Erwähnung wert, dass sie genau so lange wie nötig währte, das heißt, bis Gibril Farishta so weit war, Allie Cone das anzutun, was er zuvor Saladin angetan hatte - nämlich das Unverzeihliche.
    Es soll gesagt werden, dass niemand, Allie nicht, Gibril nicht, nicht einmal die Abhörprofis, die sie hinzugezogen hatten, auch nur den leisesten Verdacht hegten, dass die Anrufe das Werk eines einzigen Mannes waren; aber für Saladin Chamcha, einstmals berühmt (wenngleich nur in Spezialistenkreisen) als der Mann der Tausend Stimmen, war eine solche Täuschung eine einfache Sache, vollkommen mühe-wie risikolos. Im Ganzen musste er (aus seinen tausendundeins Stimmen) nicht mehr als neununddreißig auswählen.
    Nahm Allie den Hörer ab, hörte sie unbekannte Männer ihr intime Geheimnisse ins Ohr flüstern, Fremde, die um die entlegensten Nischen ihres Körpers zu wissen schienen, gesichtslose Wesen, die den Beweis führten, dass sie ihre erlesensten Vorlieben unter den Myriaden Arten der Liebe aus eigener Erfahrung kennengelernt hatten; und als dann die Bemühungen, die Anrufe zurückzuverfolgen, begonnen hatten, wuchs ihre Erniedrigung, denn nun konnte sie nicht mehr einfach auflegen, sondern musste zuhören, heiß im Gesicht und kalt am Rückgrat, und versuchen (was ihr nicht gelang), die Gespräche in die Länge zu ziehen.
    Auch Gibril bekam sein Teil Stimmen ab: großartige Byronsche Aristokraten brüsteten sich, den »Everest bezwungen« zu haben, höhnische Gassenjungen; salbungsvolle Bester-Freund-Stimmen mischten Warnungen und Scheinteilnahme, ganz im Vertrauen, wie blöd kannst du, weißt du noch immer nicht, was sie, alles, was Hosen trägt, du armer Trottel, glaub einem Freund. Eine Stimme aber erhob sich über alle anderen, eine der ersten Stimmen, die Gibril hörte, und diejenige, die ihm am tiefsten unter die Haut ging, eine Stimme, die ausschließlich in Reimen redete, die Knittelverse von heruntergespielter Naivität, ja, Unschuld vortrug, und die einen so tiefen Kontrast zu der masturbatorischen Grobheit der meisten anderen Anrufer bildete, dass sie für Gibril bald die heimtückischste Bedrohung von allen darstellte.
    Ich mag Schnaps, ich mag Bier, Ich mag, was du machst mit mir.
    Sag ihr das, schmachtete die Stimme und legte auf. An einem anderen Tag kam sie mit einem anderen Verschen wieder:
    Ich mag Milch, ich mag Wein, Du bist mir die Liebste mein.
    Sag ihr auch das, wenn du so nett wärst. Gibril fand, dass dieses Grußkarten-Tanderadei etwas Teuflisches hatte, etwas zutiefst Unmoralisches, wie es seine Verderbtheit bemäntelte.
    Rot der Apfel, bleich das Stroh, Und mein Schatz, ja der heißt so.
    A… l… l… Gibril knallte den Hörer voll Abscheu und Furcht auf die Gabel; und zitterte. Danach meldete sich der Verseschmied eine Weile nicht mehr; aber Gibril begann, auf diese Stimme zu warten, sich vor ihrer Wiederkehr zu fürchten; vielleicht hatte

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