Die Satanischen Verse
dass er sich schämte. Der Krebs hatte begonnen, Mishals Haut grau zu färben, und auch Mrs. Qureishi franste allmählich aus; ihre »guten« Chappals hatten sich in ihre Bestandteile aufgelöst, und sie litt an schrecklichen Fußblasen, die wie kleine Wasserballons aussahen. Als Said ihr die Bequemlichkeit des Wagens anbot, weigerte sie sich jedoch weiterhin strikt. Der Zauber, den Aischa über die Pilger gelegt hatte, hielt sie noch fest im Griff.
Und am Ende dieser Ausfälle ins Herz des Pilgerzugs merkte Mirza Said, verschwitzt und schwindlig vor Hitze und seiner wachsenden Verzweiflung, dass die Fußgänger seinen Wagen ein ganzes Stück weit zurückgelassen hatten, so dass er mit düsterer Miene allein zu ihm zurückwanken musste . Als er eines Tages zu seinem Kombi zurückkam, stellte er fest, dass eine Kokosnuss schale, die aus einem vorbeifahrenden Bus geworfen worden war, die Windschutzscheibe aus Verbundglas zerschmettert hatte, so dass sie nun aussah wie ein Spinnennetz voller Diamantfliegen. Er klopfte die Scheibe heraus, und die Glasdiamanten schienen ihn zu verspotten, während sie auf die Straße und in den Wagen fielen, schienen von der Vergänglichkeit und Wertlosigkeit irdischen Besitzes zu sprechen. Doch ein weltlicher Mann lebt in der Welt der Dinge, und Mirza Said hatte nicht die Absicht, so leicht wie eine Windschutzscheibe zu zerbrechen. Des Nachts legte er sich zu seiner Frau auf eine Matte unter die Sterne an den Rand der großen Fernstraße. Als er ihr von dem Windschutzscheibenunfall erzählte, spendete sie ihm kühlen Trost. »Das ist ein Zeichen«, sagte sie. » Lasse endlich den Kombi stehen und schließe dich uns an.«
»Einen Mercedes-Benz stehen lassen?« japste Said in echtem Entsetzen.
»Na und?« entgegnete Mishal mit ihrer grauen, erschöpften Stimme. »Ständig redest du vom Untergang. Welchen Unterschied soll da ein Mercedes machen?«
»Das verstehst du nicht«, weinte Said. »Niemand versteht mich.«
Gibril träumte eine Dürre:
Das Land wurde unter dem regenlosen Himmel braun. Die Leichen von Bussen und historischen Monumenten verrotteten auf den Feldern neben der Ernte. Durch die nicht mehr vorhandene Windschutzscheibe sah Mirza Said den Beginn des Unheils: Die wilden Esel fickten lustlos und fielen, noch miteinander verbunden, mitten auf der Straße tot um, die Bäume standen auf Wurzeln, die durch die Bodenerosion freigelegt waren, und sahen aus wie riesige hölzerne Klauen, die nach Wasser in der Erde wühlten, die mittellosen Bauern, die sich bei der Regierung als Handarbeiter verdingen mussten , gruben neben der Fernstraße ein Reservoir, ein leeres Behältnis für den Regen, der nicht fallen wollte. Elendes Leben an der Straße: eine Frau, die mit einem Bündel auf ein Zelt aus Stöcken und Lumpen zustrebt, ein Mädchen, das tagaus, tagein dazu verdammt ist, auf ihrem Stück schmutzigen Staub diesen Topf, diese Pfanne zu scheuern. »Ist ein solches Leben wirklich so viel wert wie unseres?« fragte sich Mirza Said Akhtar. »So viel wie meines? Wie Mishals? Wie wenig haben sie erlebt, wie wenig haben sie, um ihrer Seele Nahrung zu geben.« Ein Mann in Dhoti und weitem gelbem Pugri stand wie ein Vogel auf einem Meilenstein, kauerte da, den einen Fuß auf das andere Knie gestützt, eine Hand unter dem anderen Ellbogen, und rauchte ein Biri. Als Mirza Said Akhtar an ihm vorbeifuhr, spuckte der Mann aus und erwischte den Zamindar voll im Gesicht.
Die Pilger kamen nur langsam voran, drei Stunden Marsch am Vormittag, weitere drei nach der Hitze, sie richteten sich nach dem langsamsten Pilger, waren endlosen Verzögerungen ausgesetzt, kranke Kinder, Schikanen von Behörden, ein Rad löste sich von einem der Ochsenkarren, bestenfalls zwei Meilen am Tag, einhundertfünfzig Meilen zum Meer, eine Reise von ungefähr elf Wochen. Der erste Todesfall ereignete sich am achtzehnten Tag. Khadija, die taktlose alte Dame, die seit einem halben Jahrhundert die zufriedene und zufriedenstellende Gattin des Sarpanch Muhammad Din war, sah im Traum einen Erzengel. »Gibril«, flüsterte sie, »bist du das?«
»Nein«, erwiderte die Erscheinung. »Ich bin es, Asrael, der mit dem Scheißjob. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.«
Am nächsten Morgen setzte sie die Pilgerreise fort, ohne ihrem Mann etwas von der Vision zu sagen. Nach zwei Stunden näherten sie sich der Ruine einer jener Herbergen aus der Zeit der Moguln, die an den Fernstraßen im Fünf-Meilen-Abstand errichtet
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