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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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wenn nicht in Indien, kann man irgendeine Bar betreten und eine solche Diskussion anzetteln? Diese Leidenschaft, dieser Ernst, dieser Respekt. Behalte du nur deine Kultur, Toadji; mir gefällt diese hier sehr gut.«
    »Gib’s auf mit mir«, bat er sie. »Ich habe es nicht gern, wenn Leute ohne Vorwarnung bei mir hereinschneien, ich habe die Regeln von Seven Tiles und Kabaddi vergessen, ich kann meine Gebete nicht mehr auswendig aufsagen, ich weiß nicht mehr, was bei einer Nikah-Feier vor sich geht, und wenn ich allein bin, verirre ich mich in dieser Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Sie ist nicht mein Zuhause. Sie macht mich schwindlig, weil sie mir ein G efühl von Zuhause gibt, es aber nicht ist. Ich bekomme Herzflattern davon, und in meinem Kopf dreht sich alles.«
    »Du bist ein Blödmann«, schrie sie ihn an. »Ein Blödmann.
    Werde, wie du früher warst! Verdammter Narr! Du kannst es.«
    Sie war ein Strudel, eine Sirene, die ihn zu seinem alten Selbst zurücklocken wollte. Aber es war ein totes Selbst, ein Schatten, ein Geist, und er wollte nicht zu einem Phantom werden. In seiner Brieftasche lag ein Rückflugticket nach London, und er würde es benutzen.
     
    »Du hast nie geheiratet«, sagte er, als sie beide in den frühen Morgenstunden schlaflos dalagen. Zeeny wurde wütend. »Du warst wirklich zu lange weg. Hast du keine Augen im Kopf? Ich bin eine Schwarze.« Und sie wölbte den Rücken und warf das Leintuch ab, um ihre verschwenderische Fülle zur Schau zu stellen. Als die Bandenführerin Phoolan Devi aus den Bergen kam, um sich zu ergeben und fotografieren zu lassen, zerstörten die Zeitungen den von ihnen selbst geschaffenen Mythos ihrer sagenhaften Schönheit. Sie wurde reizlos, ein gewöhnliches Geschöpf, unappetitlich, wo sie früher zum Anbeißen gewesen war. Dunkle Haut in Nordindien. »Das kaufe ich dir nicht ab«, sagte Saladin. »Du erwartest doch nicht, dass ich dir das abnehme.«
    Sie lachte. »Gut, du bist noch kein völliger Idiot. Wozu heiraten? Ich hatte viel zu tun.«
    Und nach einer Pause richtete sie dieselbe Frage an ihn.
    Also, und du?
    Nicht nur verheiratet, sondern auch reich. »Los, erzähl, na.
    Wie du lebst, du und das Frauchen.« In einer fünfstöckigen Villa in Notting Hill. In jüngster Zeit hatte er sich dort unsicher gefühlt, denn der letzte Einbrechertrupp hatte nicht nur wie üblich Video-und Stereoanlage mitgenommen, sondern auch den Wolfshund. Und langsam war in ihm das Gefühl gewachsen, dass es nicht möglich war, an einem Ort zu leben, an dem die kriminellen Elemente Tiere stahlen. Pamela erzählte ihm, das sei ein alter, örtlicher Brauch. In den Alten Zeiten, sagte sie (die Geschichte gliederte sich für Pamela in das Altertum, das Finstere Mittelalter, die Alten Zeiten, das Britische Weltreich, die Neuzeit und die Gegenwart), sei Tierdiebstahl ein gutes Geschäft gewesen. Die Armen stahlen die Hunde der Reichen, dressierten sie so, dass sie ihre Namen vergaßen, und verkauften sie in Geschäften in der Portobello Road zurück an ihre trauernden, ratlosen Besitzer. Pamelas Version der Geschichte Londons war stets reich an Einzelheiten und häufig unzuverlässig. »Ach, du meine Güte«, sagte Zeeny Vakil »du musst alles verkaufen, pronto, und umziehen. Ich kenne diese Engländer, alle gleich, Gesindel und Nabobs. Gegen ihre verdammten Traditionen kommt man nicht an.«
    Meine Frau, Pamela Lovelace, zerbrechlich wie Porzellan, anmutig wie eine Gazelle, entsann er sich. Ich schlage Wurzeln in den Frauen, die ich liebe. Die Banalitäten der Untreue. Er schob sie von sich und sprach über seine Arbeit.
    Als Zeeny Vakil erfuhr, wie Saladin Chamcha sein Geld verdiente, entschlüpfte ihr eine Reihe schriller Schreie, die einen der medaillonbehängten Araber dazu veranlassten , an die Tür zu klopfen und den Kopf hereinzustecken, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Er sah eine wunderschöne Frau aufrecht im Bett sitzen, der etwas, das wie Büffelmilch aussah, über das Gesicht lief und von der Kinnspitze tropfte, und während er sich bei Chamcha für sein Eindringen entschuldigte, zog er sich eilends zurück, tut mir leid, Kumpel, he, Sie haben aber Glück.
    »Du armes Würstchen«, keuchte Zeeny unter schallendem Gelächter. »Diese Angrez-Scheißkerle. Die haben dich wirklich fix und fertig gemacht.«
    Seine Arbeit wurde also nicht ernstgenommen. »Ich habe eine Begabung für Akzente«, sagte er hochmütig. »Warum sollte ich das nicht

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