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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Ihr nicht absichtlich in mein Zimmer gekommen sein, aus eigenem Antrieb? Nein, natürlich nicht, ich bin sicher abstoßend für Euch.« Er hat keine Lust, sich auf ihr Spiel einzulassen. »Bin ich ein Gefangener?« fragt er, und wieder lacht sie ihn aus.
    »Seid kein Dummkopf.« Und dann lässt sie sich achselzuckend erweichen. »Gestern Abend bin ich durch die Straßen der Stadt gegangen, maskiert, um mir die Festlichkeiten anzusehen, und worüber bin ich da gestolpert - über Euren bewusstlosen Leib.
    Wie ein Betrunkener in der Gosse, Mahound. Ich ließ meine Diener eine Sänfte holen und Euch hierher bringen. Bedankt Euch.«
    »Danke.«
    »Ich glaube nicht, dass man Euch erkannt hat«, sagt sie.
    »Sonst wärt Ihr vielleicht tot. Ihr wisst , wie es gestern Nacht in der Stadt zuging. Die Leute übertreiben. Selbst meine Brüder sind noch nicht nach Hause gekommen.«
    Jetzt fällt es ihm wieder ein, sein verstörter, bekümmerter Gang durch die gottlose Stadt, wie er die Seelen anstarrte, die er angeblich gerette t hatte, die Simurg-Puppen, die Teufelsmasken, die Behemoths und Hippogryphen. Die Müdigkeit nach dem langen Tag, an dem er vom Mount Cone heruntergestiegen und in die Stadt gegangen war, sich der Anstrengung der Ereignisse im Dichterzelt unterzogen hatte -
    und danach der Zorn seiner Anhänger, die Zweifel -, all das hatte ihn überwältigt. »Ich bin ohnmächtig geworden«, erinnert er sich.
    Sie geht zu ihm und setzt sich neben ihn aufs Bett, streckt einen Finger aus, findet eine Öffnung in seinem Gewand, streichelt seine Brust. »Ohnmächtig«, murmelt sie. »Das bedeutet Schwäche, Mahound. Seid Ihr im Begriff, schwach zu werden?«
    Sie legt ihm den streichelnden Finger auf die Lippen, bevor er antworten kann. »Sagt nichts, Mahound. Ich bin die Frau des Granden, und beide sind wir nicht Eure Freunde. Mein Mann ist allerdings ein schwacher Mann. In Jahilia glaubt man, er sei klug, aber ich weiß es besser. Er weiß, dass ich mir Liebhaber nehme, und unternimmt nichts dagegen, weil die Tempel meiner Familie unterstehen. Lats, Uzzas, Manats Tempel. Die -
    soll ich sie Moscheen nennen? - Eurer neuen Engel.« Sie bietet ihm Melonenwürfel auf einem Teller an, versucht, ihn zu füttern.
    Er gestattet nicht, dass sie ihm die Früchte in den Mund schiebt, nimmt die Stückchen mit der eigenen Hand, isst . Sie fährt fort.
    »Mein letzter Liebhaber war der Junge, Baal.« Sie bemerkt die Wut in seinem Blick. »Ja«, sagt sie zufrieden. »Ich habe gehört, er hat Euch verärgert. Aber er ist nicht wichtig. Weder er noch Abu Simbel sind Euch ebenbürtig. Aber ich bin es.«
    »Ich muss gehen«, sagt er. »So schnell?« antwortet sie und kehrt ans Fenster zurück. Am Stadtrand bauen sie die Zelte ab, die langen Kamelzüge rüsten zum Aufbruch, Kolonnen von Lastkarren ziehen bereits durch die Wüste; der Karneval ist vorbei. Sie dreht sich wieder zu ihm um.
    »Ich bin Euch ebenbürtig«, wiederholt sie, »und zugleich Eure Gegenspielerin. Ich will nicht, dass Ihr schwach werdet. Ihr hättet nicht tun sollen, was Ihr getan habt.«
    »Aber Ihr werdet davon profitieren«, entgegnet Mahound verbittert. »Die Einnahmen aus Euren Tempeln sind nicht mehr gefährdet.«
    »Ihr begreift nicht«, sagt sie leise, nähert sich und bringt ihr Gesicht nah an das seine. »Ihr seid für Allah, und ich bin für Al-Lat. Und sie glaubt Eurem Gott nicht, wenn er behauptet, dass er sie anerkennt. Ihre Gegnerschaft zu ihm ist unversöhnlich, unwiderruflich, grenzenlos. Der Krieg zwischen uns kann nicht mit einem Waffenstillstand enden. Und mit was für einem noch dazu! Euer Gott ist gönnerhaft, herablassend. Al-Lat verspürt nicht den leisesten Wunsch seine Tochter zu sein. Sie ist ihm ebenbürtig, genau wie ich Euch. Fragt Baal, er kennt sie. So wie er mich kennt.«
    »Also wird der Grande seine Zusage brechen«, sagt Mahound.
    »Wer weiß?« höhnt Hind. »Er kennt sich nicht einmal selbst.
    Er muss Für und Wider gegeneinander abwägen. Ein Schwächling, wie ich schon sagte. Aber Ihr wisst , dass ich die Wahrheit sage. Zwischen Allah und den Dreien kann es keinen Frieden geben. Ich will ihn nicht. Ich will den Kampf. Bis zum Tod; diese Art von Idee bin ich. Von welcher Art seid Ihr?«
    »Ihr seid Sand und ich bin Wasser«, sagt Mahound. »Wasser überspült den Sand.«
    »Und die Wüste saugt das Wasser auf«, gibt ihm Hind zur Antwort. »Seht Euch um.«
    Bald nach seinem Aufbruch treffen die verwundeten Männer beim Palast des

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