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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Granden ein, nachdem sie ihren ganzen Mut zusammengenommen haben, Hind davon zu unterrichten, dass der alte Hamza ihre Brüder getötet hat. Aber da ist der Verkünder nirgends mehr zu finden; ist wieder einmal, langsam, auf dem Weg zum Mount Cone.
     
    Wenn Gibril müde ist, möchte er am liebsten seine Mutter dafür umbringen, dass sie ihm einen so verdammt idiotischen Kosenamen gegeben hat, Eng el, was für ein Wort, er bittet waswen?, ihn mit der Traumstadt zerfallender Sandburgen und den Löwen mit den drei Zahnreihen zu verschonen, kein Waschen der Herzen von Propheten mehr, keine Anweisungen mehr, etwas vorzutragen, keine Verheißungen des Paradieses mehr, Schluss mit den Offenbarungen, finito, khattamshud.
    Wonach er sich sehnt: nach schwarzem, traumlosen Schlaf.
    Scheißträume, Ursache allen Unglücks der Menschheit, Scheißfilme, wenn ich Gott wäre, würde ich die Phantasie einfach aus den Menschen herausschneiden, und dann könnten arme Schweine wie ich vielleicht endlich ruhig schlafen. Er kämpft gegen den Schlaf an und zwingt sich, die Augen offenzuhalten, ohne zu blinzeln, bis der Sehpurpur auf der Regenbogenhaut verblasst und ihn erblinden lässt , aber er ist nur ein Mensch, schließlich fällt er in das Kaninchenloch, und da ist er wieder, im Wunderland, auf dem Berg, und der Geschäftsmann wacht auf, und abermals beginnt sein Verlangen, sein Bedürfnis zu arbeiten, diesmal nicht an meinem Kiefer und an meiner Stimme, sondern an meinem ganzen Körper; er verkleinert mich bis auf seine eigene Größe und zieht mich in sich hinein, sein Kraftfeld ist unglaublich, stark wie das eines verdammten Riesensterns… und dann ringen Gibril und der Prophet miteinander, beide nackt, wälzen sich herum in der Höhle des feinen weißen Sands, der sich wie ein Schleier um sie herum erhebt. Als ob er mir etwas beibringen, mich erforschen will, als ob ich derjenige bin, der einer Prüfung unterzogen wird.
    In einer Höhle zweihundert Meter unterhalb des Gipfels von Mount Cone ringt Mahound mit dem Erzengel, schleudert ihn von einer Seite zur anderen, und ich muss sagen, er kommt überall hin, seine Zunge in mein Ohr seine Faust an meine Eier, nie zuvor hat es einen so wütenden Menschen gegeben, er muss es wissen muss es WISSEN, und ich habe ihm nichts zu sagen, er ist körperlich doppelt so fit wie ich und viermal so intelligent, mindestens, wir haben vielleicht beide viel durch Zuhören gelernt, aber - es liegt auf der Hand - er ist ein besserer Zuhörer als ich; so wälzen wir uns treten kratzen, er wird ziemlich mitgenommen, aber meine Haut bleibt natürlich glatt wie die eines Babys, man kann einen Engel nicht in einen verdammten Dornbusch werfen, man kann ihn nicht gegen einen Felsen schmettern. Und sie haben Zuschauer: Dschinns und Afrits und alle möglichen Geister sitzen auf den Felsen und beobachten den Kampf, und am Himmel schweben die drei geflügelten Wesen, die aussehen wie Reiher oder Schwäne oder einfach Frauen, je nachdem, wie das Licht einfällt…
    Mahound macht Schluss . Er gibt den Kampf auf.
    Nachdem sie stunden-oder sogar wochenlang miteinander gerungen hatten, wurde Mahound unter dem Engel festgenagelt, er wollte es so, es war sein Wille, der mich erfüllte und mir die Kraft gab, ihn niederzuhalten, denn Erzengel können solche Kämpfe nicht verlieren, es wäre nicht richtig, nur Teufel werden unter solchen Umständen besiegt; in dem Augenblick also, in dem ich obenauf war, begann er, vor Freude zu weinen, und dann spielte er seinen alten Trick aus, er zwang meinen Mund auf und brachte es zuwege, dass die Stimme, die STIMME abermals aus mir drang, sich über ihn ergoss , wie Erbrochenes.
     
    Nach seinem Ringkampf mit dem Erzengel Gibril sinkt der Prophet Mahound in den üblichen, erschöpften, postrevelatorischen Schlaf, aber diesmal erwacht er schneller als sonst. Als er in dieser hochgelegenen Wildnis wieder zu sich kommt, ist niemand zu sehen, keine geflügelten Wesen kauern auf Felsen, er springt auf, von der Dringlichkeit der Neuigkeiten erfüllt. »Es war der Teufel«, sagt er laut zu der leeren Luft, macht es wahr, indem er es ausspricht. »Das letzte Mal, das war der Schaitan.« Das ist es, was er beim Zuhören gehört hat, dass er getäuscht wurde, dass der Teufel als Erzengel verkleidet zu ihm gekommen war, so dass die Verse, die er auswendig lernte, die er im Dichterzelt vortrug, nicht das Wahre waren, sondern sein diabolisches Gegenteil, nicht göttlich, sondern satanisch. So

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