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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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schnell er kann, kehrt er in die Stadt zurück, um die unreinen Verse auszumerzen, die nach Schwefel stinken, um sie für alle Ewigkeit aus den A kten zu streichen, so dass sie nur in ein oder zwei unzuverlässigen Sammlungen alter Überlieferungen überdauern werden, und orthodoxe Exegeten werden darangehen, sie ungeschrieben zu machen, aber Gibril, der im höchsten Kamerawinkel schwebt und von dort aus zusieht, weiß ein kleines Detail, nur eine Winzigkeit, die etwas problematisch ist, nämlich dass es beide Male ich war, Baba, das erste Mal ich und das zweite Mal auch ich. Aus meinem Munde stammen Rede und Widerrede, Verse und Antiverse, Welten und Gegenwelten, alles, und wir alle wissen, wer sich an meinem Mund zu schaffen gemacht hat.
    »Zuerst war es der Teufel«, murmelt Mahound, während er nach Jahilia eilt. »Aber diesmal der Engel, keine Frage. Er hat mich zu Boden gerungen.«
     
    Die Jünger halten ihn in den Schluchten am Fuß des Mount Cone auf, um ihn vor der Wut Hinds zu warnen, die weiße Trauerkleidung trägt und ihr schwarzes Haar gelöst hat, es wie einen Sturmwind wehen lässt oder es im Staub nachzieht und dabei ihre Fußspuren verwischt, so dass sie wie eine Inkarnation des Racheengels selbst erscheint. Sie sind aus der Stadt geflohen, und auch Hamza hält sich versteckt; aber es geht das Gerücht, dass Abu Simbel bisher noch nicht den Forderungen seiner Frau nach dem Blut, das Blut auswäscht, stattgegeben hat. Er wägt noch immer die Vor-und Nachteile ab, was Mahound und die Göttinnen betrifft… Entgegen dem Rat seiner Anhänger kehrt Mahound nach Jahilia zurück und geht direkt zum Haus des Schwarzen Steins. Die Jünger folgen ihm trotz ihrer Angst. Eine Menge versammelt sich in der Hoffnung auf weitere skandalöse Ereignisse oder Verstümmelungen oder solcherlei Vergnügungen. Mahound enttäuscht sie nicht.
    Er steht vor den Statuen der Drei und verkündet die Auslöschung der Verse, die Schaitan ihm ins Ohr geflüstert hat.
    Diese Verse werden aus dem wahren Vortrag alqur’an, getilgt.
    Neue Verse werden an ihrer Statt mit Donnerstimme gesprochen.
    »Soll Er Töchter haben und ihr Söhne?« spricht Mahound.
    »Das wäre eine schöne Einteilung!
    Dies sind nichts als Namen, von denen ihr geträumt habt, ihr und eure Väter. Allah misst ihnen kein Gewicht bei.«
    Er ver lässt das sprachlose Haus, bevor es irgendjemandem einfällt, den ersten Stein aufzuheben - oder zu werfen.
     
    Nach der Widerrufung der Satanischen Verse kehrt der Prophet Mahound nach Hause zurück, wo ihn eine Art Strafe erwartet. Eine Art Rache - wessen? Des Lichts oder der Finsternis? Des Guten oder des Bösen? -, verübt an einer Unschuldigen, was nicht selten vorkommt. Die siebzigjährige Frau des Propheten sitzt unter einem steinvergitterten Fenster, aufrecht, mit dem Rücken zur Wand, tot.
    In seinem Schmerz zieht sich Mahound zurück, spricht wochenlang kaum ein Wort. Der Grande von Jahilia ordnet Verfolgungen an, die Hind nicht streng genug sind. Der Name der neuen Religion ist UNTERWERFUNG; Abu Simbel verfügt, dass sich ihre Anhänger der Kasernierung im erbärmlichsten Stadtviertel voller Bruchbuden unterwerfen müssen; einem Ausgangsverbot, einem Arbeitsverbot. Und es kommt zu tätlichen Angriffen, Frauen werden in Geschäften angespuckt, die Gläubigen werden von Banden von Jungtürken misshandelt , die der Grande im geheimen kontrolliert, nachts werden Brandsätze durch Fenster geworfen, die zwischen nichtsahnenden Schläfern landen. Und gemäß einem bekannten Paradox der Geschichte vervielfacht sich die Zahl der Gläubigen, wie eine Saat, die auf wundersame Weise aufgeht, während die Boden-und Klimabedingungen sich zunehmend verschlechtern.
    Von den Bürgern der Oase Yathrib im Norden kommt ein Angebot: Yathrib will diejenigen-die-sich-unterwerfen aufnehmen, wenn sie Jahilia zu verlassen wünschen. Hamza ist der Meinung, dass sie gehen müssen. »Hier wirst du deine Botschaft nie zu Ende führen, Ne ffe, glaub mir. Hind wird nicht ruhen, bis sie dir die Zunge herausgerissen hat, ganz zu schweigen von meinen Eiern, verzeih.« Mahound, allein und voller Nachklänge im Haus seines schmerzlichen Verlustes, gibt seine Zustimmung, und die Gläubigen versammeln sich, um Pläne zu machen. Khalid der Wasserträger zaudert und der hohläugige Prophet wartet darauf, dass er etwas sagt. Verlegen meint er: »Verkünder, ich habe an dir gezweifelt. Aber du warst weiser, als wir dachten. Zuerst sagten wir, Mahound

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