Die Satansbraut
Ellbogen.
Seine Liste war wirklich eindrucksvoll. Neben dem Namen jeder Frau standen mindestens vier Namen von Männern. Nur gut, daß er sein ganzes Leben hier verbracht hatte und im weiten Umkreis fast jeden kannte. So viele Männer, dem Himmel sei Dank! Es war wichtig, daß die Frauen eine Auswahl zur Verfügung hatten. Nicht alle würden heiraten wollen, das war ihm klar, aber er wollte sicher sein, daß alle gut versorgt waren. Natürlich würde jede eine Aussteuer erhalten, ob sie nun heiraten wollte oder nicht. Er überlegte, ob er auch eine Liste möglicher Gönner in London aufstellen sollte, konnte sich aber als kultivierter Mensch nicht zu einer so krassen und groben Maßnahme entschließen.
Seine Gedanken schweiften zu seinen Kindern, und er lächelte. Sie waren eine Konstante in seinem Leben, und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern. Er zweifelte keine Sekunde daran, daß weitere hinzukommen würden. Himmel, wie er sie alle vermißte! Er freute sich riesig auf das morgige Wiedersehen.
Gähnend stand er auf, streckte seine müden Glieder und blies die Kerze aus. Er kannte jeden Zentimeter von Northcliffe und fand sich auch im Dunkeln mühelos zurecht.
Sophie schlief nicht. Sie saß aufrecht im Bett und starrte in die hintere Schlafzimmerecke. Ryder entzündete rasch eine Kerze und ging leise auf das Bett zu. Zuerst schenkte sie ihm überhaupt keine Beachtung, dann drehte er sich um, und er sah, daß ihr Gesicht bleich war, mit schreckensweit geöffneten Augen.
Er blickte mit gerunzelter Stirn auf sie hinab. »Was ist los? Hast du einen Alptraum gehabt?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihr dichtes Haar hing ihr wirr ins Gesicht und über die Schultern. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und umklammerte mit geballten Fäusten ihre Decke. »Ich glaube, ich habe soeben die Bekanntschaft eurer Jungfräulichen Braut gemacht.«
»Wie bitte?«
»Die Jungfräuliche Braut — euer Familiengespenst. Sinjun scheint recht gehabt zu haben — sie wollte mich in eurer Familie willkommen heißen.«
»Blödsinn! Du hast einen seltsamen Traum gehabt, weiter nichts.«
Sophie schüttelte nur den Kopf. Im ersten Moment hatte sie schreckliche Angst gehabt, doch dann hatte die junge Frau sie angesehen, und Sophie hätte schwören können, daß sie redete, obwohl ihre Lippen sich nicht bewegten. Eine sanfte Stimme hatte leise, aber sehr eindringlich gesagt: »Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut gehen, sogar wenn sie kommen.«
»Wer?« hatte Sophie laut gefragt. »Was bedeutet das?«
Die junge Frau hatte im schwachen Licht geschimmert und war dann plötzlich verschwunden. Sie hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst, die Hand nach Sophie ausgestreckt.
»Sophie, diese verdammte Jungfräuliche Braut gibt es nicht«, sagte Ryder. »Das ist doch nur eine Legende. Und Sinjun hat eine blühende Phantasie — es würde mich nicht wundern, wenn sie gelegentlich den Geist spielt, um uns an der Nase herumzuführen. Du hast das alles nur geträumt.«
»Nein«, widersprach sie energisch. »Sie hat zu mir gesprochen, Ryder, das heißt, nicht richtig gesprochen, aber ich habe sie ganz deutlich gehört.«
Wider Willen fasziniert, stellte Ryder die Kerze auf dem Nachttisch ab und setzte sich neben Sophie, ohne sie zu berühren. »Was hat sie denn gesagt, ohne richtig zu sprechen?«
»Sie sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, denn sogar wenn sie kämen, würde alles gut gehen.«
Er runzelte die Stirn. Mit einer solchen Botschaft hatte er nicht gerechnet. Geheimnisvolle Andeutungen auf einen verborgenen Schatz oder etwas Ähnliches wären von einem Gespenst eher zu erwarten gewesen, vielleicht auch eine Prophezeiung, daß Sophie Zwillinge zur Welt bringen würde, die Später ins englische Königshaus einheiraten würden.
»Was zum Teufel soll das bedeuten? Wer sind diese >sie«
»Ich habe die junge Frau gefragt, aber sie ist einfach verschwunden, und dafür warst du plötzlich hier. Wahrscheinlich hast du sie vertrieben.«
»Unsinn!«
Erst jetzt kam es Sophie so recht zu Bewußtsein, daß sie nur ein Nachthemd trug und Ryder dicht neben ihr saß, zum Glück noch bekleidet, aber trotzdem ... Er saß auf dem Bett, und er war ihr Mann. Sie vergaß den Geist und seine geheimnisvolle Botschaft. Sie vergaß ihr höchst bedauerliches Benehmen und sogar jene beiden sehr hübschen jungen Frauen. Langsam rückte sie immer weiter von ihm ab, bis sie an der anderen Bettkante anlangte.
Ryder tat so, als
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