Die Satansbraut
eine ganze Menge.«
»Emile wird dir aber Dinge zeigen, die du bestimmt noch nicht gesehen hast, stimmt's, Emile?«
»O ja.«
»Iß jetzt. Du wirst deine Kräfte brauchen.«
Als Ryder das Eßzimmer verließ, hörte er Jeremy fragen: «Peitschen Sie die Sklaven, Sir?«
»Nein«, erwiderte Emile sachlich. »Sie sind unsere Arbeiter, und ohne sie würden wir nicht viel Zucker erzeugen. Wir sind von ihnen abhängig. Wenn ich sie verletzen würde, könnten sie nicht mehr gut arbeiten, und das wäre für uns ein großer Nachteil.«
»Thomas schlägt die Sklaven immer.«
»Thomas ist ein Dummkopf. Ryder wird sich jetzt zweifellos um seine Erziehung kümmern.«
Ryder grinste vor Vorfreude. Er wünschte, er hätte von Sophie schon Näheres erfahren, aber er hatte sie nicht wecken wollen. Nun, zweifellos war Thomas hier, weil Onkel Theo sich noch immer nicht wohl fühlte. Ausgezeichnet! Sophie schien mit dem Brieföffner ordentlich zugestochen zu haben.
Sophie erwachte kurz vor Sonnenuntergang, als der Himmel in den verschiedensten Rosa- und Rottönen erstrahlte. Sie war allein, und sie fühlte sich viel kräftiger.
Es gelang ihr aufzustehen, ein Bedürfnis zu verrichten und das Männernachthemd überzustreifen. Natürlich hatte sie noch Schmerzen, aber sie waren mittlerweile halbwegs erträglich.
Sie ging langsam zum Balkon und hob ihr Gesicht in die stille Abendluft empor. Bald würde es ihr gut genug gehen, um Kimberly Hall verlassen zu können. Bald würden Jeremy und sie diesen gastlichen Ort verlassen müssen. Aber wohin sollten sie dann gehen?
Ryder hatte recht. Sie besaß kein Geld, sie besaß überhaupt nichts, und sie stand in dem Ruf, eine Hure zu sein.
Sie starrte in das rosa und goldfarbene Zwielicht hinaus und lauschte den Turteltauben, Fröschen, Grillen und unzähligen anderen Nachtgeschöpfen, die sie normalerweise gar nicht mehr hörte, weil sie so an sie gewöhnt war.
Ryder verharrte auf der Schwelle, als er sie in dem lächerlich weiten Nachthemd auf dem Balkon stehen sah. Ihr dichtes Haar fiel weich über ihren Rücken, und sie sah wie sechzehn aus. Aber er wußte, daß ihre Augen einen mißtrauischen und zynischen Ausdruck haben würden.
»Geh wieder ins Bett«, sagte er leise, um sie nicht zu erschrecken.
Sie drehte sich langsam um, nun nicht mehr schwach und hilflos, sondern eine erwachsene Frau, die fest entschlossen war, sich von niemandem mehr Befehle erteilen zu lassen. Sie sagte ruhig: »Ich habe dieses Bett satt und möchte noch eine Weile stehenbleiben. Du hast gesagt, daß du mit mir sprechen willst. Also?«
Sie war wieder die alte, und das gefiel ihm außerordentlich. »Wie du willst«, sagte er. »Thomas hat uns einen Besuch abgestattet.«
Hatte er erwartet, daß sie nach Luft schnappen würde? Daß sie wie Espenlaub zittern, sich an seine Brust werfen und ihn anflehen würde, sie zu beschützen? Sie tat nichts dergleichen. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Sie wirkte ganz ruhig und gelassen. Ihre Selbstbeherrschung und Tapferkeit verlangten ihm großen Respekt ab. Er ging auf sie zu, blieb dicht vor ihr stehen und berührte mit den Fingerspitzen ihre Nase, ihr Kinn und ihre Brauen. »Die blauen Flecke verblassen allmählich. Morgen wirst du kein totales Schreckgespenst mehr sein.«
Sie bewegte sich nicht. »Dann werde ich erst übermorgen um einen Spiegel bitten.«
»Wie gesagt — Thomas war hier.«
»Ich nehme an, du hast ihm Saures gegeben?«
Er grinste. »Nein, ich habe ihn angefleht, dir zu erlauben, noch ein Weilchen hierzubleiben. Er hat mich fast k.o. geschlagen, aber beschlossen, dich hierzulassen — vorerst. Er sagte, er würde wiederkommen und ...«
Sie zuckte zusammen. Es war eine kaum merkliche Bewegung, aber er hatte Sophie während der letzten Tage so gut kennengelernt, daß er nun auch kleinste Reaktionen registrierte.
»Nun mal ganz im Ernst«, beruhigte er sie. »Es war eine wenig spektakuläre Begegnung. Himmel, der Mann ist ein völlig gewissenloser Schurke. Ich habe ihn im Salon empfangen. Wußtest du, daß James, unser Lakai, eine ausgesprochene Abneigung gegen Thomas hat? Du hättest seine Augen sehen müssen, als er den Namen des Mannes aussprach.«
»Thomas ist ein brutaler Kerl. James hat einen Bruder, der meinem Onkel gehört. Mr. Grayson hat versucht, ihn zu kaufen, aber mein Onkel hat abgelehnt. Ja, Thomas ist ein Schwein.«
»Du hast völlig recht. Und jetzt werde ich dir von unserer ziemlich langweiligen Unterhaltung
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