Die Satansbraut
handeln.
Ihre Schuhe waren ebenfalls unauffindbar. Nun, dann mußte sie eben barfuß laufen. Leise und verstohlen wie eine Diebin schlich sie die Treppe hinab, in die Bibliothek. Dort gab es einen Waffenschrank mit Glastüren, zum Glück nicht abgeschlossen. Sie kannte sich mit Pistolen aus und wählte eine kleine Derringer. Wenn sie Jeremy beschützen mußte, würde sie jeden, aber auch wirklich jeden aus nächster Nähe erschießen, um ihn nur ja nicht zu verfehlen.
Fünf Minuten später verließ sie Kimberly Hall und eilte die Kiesauffahrt hinab, ohne auch nur zu bemerken, daß die Steinchen sich in ihre Fußsohlen bohrten, froh über die Abendbrise, die in ihren Haaren spielte.
Es war eine schöne, stille Nacht. Ihr Herz schlug langsam und gleichmäßig. Wenn sie nur wüßte, wie lange Jeremy schon fort war. Sie hatte zwar Angst, war aber ganz ruhig. Es war höchste Zeit, daß sie selbst die Verantwortung für Jeremy und sich übernahm. Lieber Gott, betete sie, laß mich nicht zu spät kommen!
Sie brauchte nur zwanzig Minuten, um Camille Hall zu erreichen, weil sie Abkürzungen durch die Zuckerrohrfelder wählte, wobei sie sich die Füße zerschnitt; sie ignorierte sowohl den brennenden Schmerz als auch das Blut, das sie kalt und klebrig an ihren Fußsohlen spürte.
Mehrere Fenster waren noch hell, aber sie konnte niemanden sehen, weder Thomas noch ihren Onkel noch einen der Dienstboten. Wo zum Teufel war Jeremy?
Sie rannte geduckt von Busch zu Busch, immer näher an das große Haus heran, und dann schlich sie sich auf die seitliche Veranda, die zum Arbeitszimmer ihres Onkels führte. Dort hörte sie die Stimmen.
Onkel Theo hörte sich amüsiert an, aber auch ziemlich betrunken. »Du kleiner Bastard hast also beschlossen, hierher zurückzukommen und mich auszupeitschen, wie?«
»Ja, aber ich bin kein Bastard. Meine Mutter war deine Schwester, und sie war mit meinem Vater verheiratet. Ich bin hier, weil ich nicht zulassen kann, daß du meine Schwester verletzt. Du hast sie geschlagen !«
»Sie hat es verdient, und sobald ich sie wieder in die Hände bekomme, werde ich sie peitschen, bis sie um Gnade winselt.«
»Das werde ich nicht dulden. Und Ryder wird es auch nicht dulden.«
Ryder Sherbrooke, der junge Mann, den Theo mit wahrem Hochgenuß umgebracht hätte. Ah, aber jetzt hatte er wenigstens den Jungen, diesen nutzlosen kleinen Krüppel. Er grinste auf Jeremy herab. »Und wie willst du mich von etwas abhalten, Bürschchen? Du konntest ja nicht einmal deine Peitsche behalten. Ich habe sie jetzt.«
»Mir wird schon etwas einfallen.«
Die Peitsche pfiff plötzlich durch die Luft, und Sophie hörte einen lauten Schrei. Es war Jeremy. Onkel Theo hatte ihn mit der Peitsche geschlagen.
Sophie hatte geglaubt, alle Wut, derer sie überhaupt fähig war, schon lange ausgeschöpft zu haben, aber sie hatte sich geirrt. Die Rage, in der sie sich jetzt befand, ließ sich mit nichts Vorangegangenem vergleichen. Sie schlüpfte lautlos durch die geöffnete Holztür und sah Onkel Theo in einem Morgenrock, die Schulter dick verbunden, mit hocherhobener Peitsche in der rechten Hand.
»Ich werde dir eine weitere Kostprobe geben, Master Jeremy, nur um dir zu zeigen, wie mächtig du bist.«
»Wenn du das tust, du erbärmlicher Mistkerl, jage ich dir eine Kugel in den Bauch. Ich möchte nicht, daß du schnell stirbst. O nein, ich will, daß du dich auf dem Boden wälzt, dir den Bauch hältst und spürst, wie deine Gedärme von innen heraus verfaulen, während du dir die Seele aus dem Leib brüllst!«
Theo Burgess erstarrte, aber nur eine Sekunde lang. Langsam, ganz langsam ließ er die Peitsche sinken und wandte sich seiner Nichte zu.
»Aha, du hast also festgestellt, daß der kleine Krüppel verschwunden ist, und bist herbeigeeilt, um ihn zu retten.«
Sie ignorierte ihn. »Komm her, Jeremy, aber halte Abstand von ihm. So ist's recht, und jetzt komm zu mir herüber.«
Jeremys Gesicht war weiß vor Schmerz, und in seinen Augen stand Scham über sein Versagen geschrieben. Beide Gefühle konnte sie nur zu gut verstehen. »Alles in Ordnung«, beruhigte sie ihn. »Diesmal haben wir gewonnen. Es war sehr mutig von dir hierherzukommen. Ja, so ist's gut, komm her zu mir, und bald verlassen wir diesen Ort.«
»Das glaubst auch nur du, Hure! Ich brauche nur zu rufen, und sofort werden mindestens zehn Sklaven zur Stelle sein, um meine Befehle auszuführen.«
»Das macht nichts, weil du bis dahin schon einen Bauchschuß haben
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