Die Satansbraut
wirklich nicht vergessen, die verdammte Tür zu schließen.« Dann grinste er dem Jungen zu. »Komm rein, Jeremy. Deiner Schwester ist sehr heiß, und ich habe versucht, sie zu unterhalten. Weißt du, sie langweilt sich und möchte abgelenkt werden.«
»Sie haben aber ihren Fuß festgehalten.«
»Ja. Sie hatte einen Krampf in den Zehen, aber jetzt ist es schon besser. Außerdem bandagiere ich ihre Füße wieder, wie du siehst. Sie langweilt sich sehr.«
»Ich werde ihr vorlesen. Du lieber Himmel, Sophie, wie kommt denn der Shakespeare auf den Fußboden? Du mußt vorsichtiger sein. Einige Seiten sind ganz zerknittert. Großer Gott, Seite 430 ist sogar eingerissen.«
»Du hast völlig recht, Jeremy. Sie hat die zweite Szene von Der Widerspenstigen Zähmung zerrissen.«
»Geh, Ryder!« rief Sophie. »Geh jetzt.«
Er entfernte sich pfeifend.
Sophie wußte nicht, wovon sie aufgewacht war. Gerade noch hatte sie süß geträumt, und ihre Mutter war bei ihr gewesen, hatte gelacht und ihr die Haare gebürstet und über die Zukunft gesprochen, über all die netten jungen Männer, die begierig sein würden, sie zu heiraten, wenn sie nach ihrem achtzehnten Geburtstag in London debütierte. Und im nächsten Moment war sie hellwach und setzte sich lauschend im Bett auf.
Da war jenes Geräusch wieder. Jemand schlich draußen herum. Ihr Herz klopfte laut. Langsam schlug sie das Laken zurück, mit dem sie sich zugedeckt hatte, und schlüpfte unter dem Moskitonetz hindurch. Es war sehr spät und sehr still, bis auf jenes Geräusch. Irgend jemand bewegte sich draußen auf dem Balkon, ganz leise, aber nicht leise genug für ihre scharfen Ohren.
Sophie stellte ihre Füße auf den Boden. Sie waren noch immer verbunden, aber der Brand in Camille Hall lag erst zwei Tage zurück, und sie hatte kaum noch Schmerzen. Auf Zehenspitzen schlich sie zur offenen Tür und spähte hinaus. Außer dem leisen Kreischen eines Koquito war nichts zu hören, doch dann sah sie einen Schatten, den Schatten eines Mannes, und er stahl sich gerade um die Ecke.
Sie griff nach dem Wasserkrug neben ihrem Bett — demselben, mit dem sie Ryder beworfen hatte —, leerte das restliche Wasser in den Nachttopf und trat auf den Balkon hinaus, der ohne Trennwände die ganze erste Etage umgab, etwa zwei Meter breit, mit einem zweieinhalb Meter breiten Dach als Sonnenschutz. Sie schlich dem Mann nach. Plötzlich war sie dicht hinter ihm und blieb wie angewurzelt stehen. Er starrte in ein Schlafzimmer.
Ryders Zimmer.
Sie sah, daß der Mann ein Messer in der Hand hatte. O Gott, es war Thomas, und er wollte Ryder ermorden.
Sie wartete, bis er das Zimmer betreten hatte, dann rannte sie ihm nach, wobei die dicken Verbände ihr halfen, sich lautlos zu bewegen. Als sie durch die offene Tür spähte, sah sie, daß Thomas mit erhobenem Messer neben Ryders Bett stand. Seine Brust war bandagiert. Ryder hatte also recht gehabt: sie hatte nicht auf ihren Onkel geschossen, sondern auf Thomas.
Aber unglückseligerweise hatte sie ihn nicht tödlich getroffen.
Langsam zog er das Moskitonetz beiseite.
Sophie schrie wie am Spieß, kreischte wie eine irre Voodoopriesterin, während sie mit dem Krug auf Thomas zustürzte.
Ryder fuhr aus dem Schlaf, sah eine Klinge wie einen silbernen Blitz über sich und glaubte, einen grellen Schrei gehört zu haben. Er rollte auf die andere Seite des Bettes, verfing sich aber im Moskitonetz.
Sophie sah ihn zu Boden stürzen, hilflos im Netz zappelnd.
Thomas rannte keuchend auf die andere Bettseite, ohne Sophie auch nur eines Blickes zu würdigen, nur von dem Wunsch beseelt, Ryder zu erdolchen.
»Thomas!«
Nun wirbelte er doch herum, und sie sah sein haßverzerrtes Gesicht.
»Thomas, ich habe auf dich geschossen, nicht Ryder! Was ist los, hast du etwa Angst vor mir? Du erbärmlicher Feigling, du hast Angst vor mir, vor einem Mädchen, das nur halb so groß wie du ist. Feigling, mörderischer Feigling! Warum hast du meinen Onkel umgebracht? Hat er dich getäuscht, dich betrogen?«
Thomas war jetzt in einem Zustand wie ein Amokläufer. Am ganzen Leibe zitternd, schwenkte er das Messer wild hin und her, auf und ab. »Ich weiß, daß du auf mich geschossen hast, du gottverdammtes Luder! Sobald er tot ist, werde ich auch mit dir abrechnen. Zuerst werde ich mich ein bißchen mit dir amüsieren, und dann werde ich dich winseln lassen, daß ich dich nicht töten soll. Auf den Knien wirst du mich anflehen, dir das Leben zu schenken, du kleine
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