Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
erst … wie lange? Drei Tage her, seit wir uns bei deiner Geburtstagsparty gesehen haben.«
»Sehr komisch, Karl. Zu deiner Information, ich habe Donnerstagabend eine Verabredung. Das sind doch nur alte Freizeitfetzen«, sagte Ivana und pflanzte ihren Hintern auf den Tisch, als wollte sie sich dort dauerhaft ansiedeln.
»Eine Verabredung? Los, erzähl mir alles!«, plapperte Naomi aufgeregt. »Wer ist er?«
Ivana strahlte über das ganze Gesicht. »Vincent Harrison.«
»Oh! Der neue Kellner im Billy Holidays, der uns an deinem Geburtstag bedient hat?«
Plötzlich sah Karl vor seinem geistigen Auge, wie sich Tarzan an einer Liane durch das Zimmer schwang und dabei seine Banane schälte.
»Glaubst du nicht, er ist ein bisschen zu jung für mich?«, fragte Ivana besorgt.
»Na ja … nein …«
»Du könntest nicht lügen, wenn dein Leben davon abhängen würde, Naomi! Die alten Säcke sagen, dass ich eine Päderastin bin, Frechheit!
»Mach dir nichts draus«, antwortete Naomi lächelnd. »Die sind nur neidisch auf dich, Ivana.«
»Ich habe dich nicht gehört. Was hast du gesagt?«
»Ich sagte … Ivana! Du hast ganz genau gehört, was ich gesagt habe!«
»Ich weiß, Süße. Ich weiß«, sagte Ivana lächelnd.
»Er hat echt einen knackigen Arsch, was?«, fragte Naomi.
Ivana nickte. »Einen
sehr
knackigen Arsch, Süße. Überhaupt ist
alles
an ihm sehr knackig.«
»Gut zu wissen, Ivana«, warf Karl ein und wandte sich hastig wieder seiner Zeitung zu. »Bist du nur hergekommen, um uns wissen zu lassen, wie knackig alles an Vincent ist?«
Unvermittelt setzte sich Ivana auf den Stuhl neben dem Schreibtisch und nahm Karl die Zeitung aus der Hand. »Nein«, sagte sie, »eigentlich … wollte ich mit dir reden.«
Ihr ernster Tonfall hielt Karl davon ab, sich die Zeitung sofort wieder zu schnappen.
»Schieß los. Ich habe zwei gesunde Ohren und einen klaren Kopf. Sag mir nur nicht, dass du schwanger bist«, sagte Karl lächelnd. »Oder steif vor Angst.«
»Das ist nicht witzig, Karl«, sagte Naomi. »Du entschuldigst dich sofort bei Ivana.«
»Ich entschuldige mich für meinen ätzenden Humor. Und da dir dieser Narr hier jetzt seine volle Aufmerksamkeit widmet, was hast du auf dem Herzen?«
»Ich mache uns Kaffee«, bot Naomi an.
»Es wäre mir lieber, du bleibst, Naomi«, sagte Ivana. Ich muss mir das von der Seele reden, und du solltest es hören. Danach hast du vielleicht nicht mehr so eine hohe Meinung von mir.«
Naomi schüttelte den Kopf. »Mach dich nicht lächerlich, Ivana. Du weiß, wie sehr ich dich immer für deinen Mut bewundert habe. Ist es nicht so, Karl?«
Karl nickte und bemerkte jetzt erst, dass auf Ivanas T-Shirt nicht Coke stand, sondern Cock.
»Möchtest du etwas Stärkeres als Kaffee, Ivana?«, fragte Karl und wandte den Blick von dem beunruhigenden T-Shirt ab. »Damit du dich ein bisschen entspannst?«
Ivana verzog das Gesicht, entkrampfte es aber hastig wieder, als ihr der Preis für das Make-up einfiel. »Nein danke. Ich möchte einen klaren Kopf behalten«, antwortete sie und sah Karl direkt in die Augen. »Es geht … es geht um die ermordeten Mädchen, die auf dem Black Mountain und in der Innenstadt gefunden wurden. In den Nachrichten zeigen sie seit Tagen immer wieder ihre Gesichter. Schrecklich …«
»Ganz schrecklich«, stimmte Naomi zu.
Danach herrschte beredtes Schweigen in dem Zimmer. Naomi sah zu Karl, der eine professionell ausdruckslose Miene wahrte.
»Ja? Was ist mit ihnen, Ivana?«, fragte Karl und brach das Schweigen schließlich.
»Ich glaube … ich glaube, ich weiß, wer etwas mit ihnen zu tun haben
könnte
.«
»Was?« Plötzlich hatte sie Karls ungeteilte Aufmerksamkeit. »Was meinst du damit?«
»Ich … ich bin nicht hundertprozentig sicher … nennen wir es Intuition. Es hat einfach klick! gemacht, als du mir an meinem Geburtstag das Plakat mit diesem Mädchen mit den traurigen Augen gezeigt hast. Seither bekomme ich ihr Gesicht nicht mehr aus dem Kopf. Ich weiß nicht einmal, ob es wichtig ist, was ich zu sagen habe.«
»Ich werde es in jedem Fall gründlich überprüfen, Ivana«, versicherte Karl. »Und alles ist besser, als zu erleben, dass noch ein Mädchen brutal gefoltert und ermordet wird. Findest du nicht auch?«
»Dagegen ist wohl nichts zu sagen.« Mit erboster Miene klaubte Ivana ein Stück abgesplitterten Nagellack von ihrem Mittelfinger.
Naomi streckte die Hand aus und strich Ivana über die Schulter. »Lass dir Zeit,
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