Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
fragte Naomi, die Karl auf das Sofa beim Fenster half, wo das Sonnenlicht die ansonsten düstere Umgebung ein wenig aufhellte.
»Na ja, vielleicht hieß er Klitschko, so wie der mich verprügelt hat«, knurrte Karl und verzog das Gesicht. »Könntest du mir bitte ein paar Schmerztabletten bringen, oh Herzallerliebste? Und ein Glas Hennessy, damit ich mir den Krankenhausgeschmack aus dem Mund spülen kann?«
»Hennessy und Schmerzmittel? Wohl kaum. Du nimmst sie mit Wasser oder einfach so.«
»Du bist ein elender Folterknecht. Weißt du das?«
»Was hat er dir gestohlen?«
»Hm?«
»Hast du schon nachgesehen, was dir dieser Straßenräuber gestohlen hat?«
»Das kann ich alles später machen, wenn ich …«
»Ich habe nachgesehen. Er hat nichts gestohlen. Ist das nicht ziemlich merkwürdig, ein Straßenräuber, der dir Brieftasche und Handy lässt?«
»Wer ist denn hier der Privatdetektiv, Naomi? Willst du meinen Job?«, fragte Karl und rang sich ein Grinsen ab, während er mit der Zunge über die geschwollene Oberlippe strich.
»Ist das eine Antwort?«
»Hör zu, er war … vermutlich überrascht, als du die Tür aufgemacht hast. Kann ich jetzt
bitte
die Schmerztabletten haben? Du benimmst dich fast schon wie Kathy Bates in
Misery
.«
»Hör auf, mich zu verscheißern. Wir wissen beide, dass das kein Straßenräuber war, Karl.«
»Ach ja?«
»Belfast wird immer gefährlicher«, sagte Naomi, schenkte an der Spüle ein Glas Wasser ein und gab es Karl, zusammen mit zwei Schmerztabletten.
Karl ließ ein resigniertes Lächeln sehen. »Du meinst im Vergleich zur guten alten Zeit, als die IRA und die britische Armee sich noch ordentliche Schießereien geliefert haben, um sich gegenseitig zu zeigen, wo der Hammer hängt? Heutzutage hören sie sich gemeinsam Westlife und Boyzone an, was ich offen gestanden fast noch schlimmer finde.«
»Es ist mein Ernst, Karl.«
»Ist doch verrückt, oder? Als noch Bomben und Schießereien an der Tagesordnung waren, fühlten wir uns seltsamerweise sicherer als heute, wo Scharen von Straßenräubern und Gewaltverbrechern unschuldige Bürger zusammenschlagen, nur, weil sie ihnen im Weg sind.«
»Er muss dich kennen, Karl. Das war kein Zufall.«
»Bist nicht drauf reingefallen, was?«
»Hör zu. Ich muss dir was sagen. Aber werd nicht wütend, ja?«, sagte Naomi, die aussah, als wäre ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut. »Du weißt doch, meine Eltern überlegen, demnächst in Rente zu gehen.«
»Das hast du erwähnt«, antwortete Karl, warf sich die Schmerztabletten ein und spülte sie mit Wasser hinunter.
»Also … wir könnten für sie übernehmen.«
Karl hustete die Schmerztabletten fast wieder aus. »Das Motel in Derrybeg?«
»Warum nicht? Bei dir hört sich das geradezu an, als wäre das schlimmer als der Tod.«
»Heiße ich Basil?«
»Was?«
»Kannst du dir vorstellen, dass ich ein Motel führe? Das würde enden wie bei Fawlty Towers – mit einer totalen Katastrophe. Bring mich bitte nicht zum Lachen. Das tut zu sehr weh.«
»Nein, es würde nicht in einer Katastrophe enden. Du wärst toll – du bist in allem toll, was du anpackst.«
»Wie viel Bacardi hast du intus? Wenn es toll ist, dass ich regelmäßig verprügelt werde, dann hast du recht – dann bin ich der Einstein von Belfast.«
»Wenigstens müsste ich mir nicht jedes Mal Sorgen um dich machen, wenn du aus dem Haus gehst, und mich fragen, was dir zugestoßen sein könnte, wenn es abends spät wird.« Naomi wandte sich ab.
»Warum weinst du denn jetzt?«
»Ich weine nicht!«, rief Naomi aus und wischte sich hastig über die Augen. »Ich bin nur müde, das ist alles!«
»Komm her«, sagte Karl und klopfte auf das Sofa.
»Was?«
»Komm her. Setz dich einen Moment zu mir. Deine Schmerztabletten wirken. In zwei Minuten schlafe ich. Waren das auch ganz sicher Schmerztabletten?«
Naomi setzte sich; Karl zog sie an sich und küsste sie auf Augen, Nase, Mund.
»Ich liebe dich so sehr«, sagte er. »Wenn es dein Wunsch ist, dann packen wir und verlassen dieses alte Drecksloch von einer Stadt. Was meinst du dazu?«
»Du wärst nicht glücklich.« Sie schniefte erneut. »Du liebst Belfast, sosehr du auch schimpfst und dich darüber beklagst.«
»Ha! Du warst wohl wirklich am Bacardi, Süße. Ich hasse diese alte Hure aus tiefster Seele. Ich würde sie nur zu gern im Rückspiegel sehen.« Karl warf einen Blick in den Spiegel auf dem Beistelltisch und erschrak über sein geschwollenes,
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