Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
froh, dass ich alles ohne Sulfia regeln konnte. Sie hätte die alte Rosenbaum sicher bei Aminat einquartiert oder ihr gleich das eigene Schlafzimmer überlassen.
    Wir schoben gemeinsam die Schlafcouch auseinander. Ich führte der Rosenbaum vor, wie bequem sie darauf liegen konnte.
    »Es ist einfach schlimm, sein Zuhause zu verlieren«, sagte die Rosenbaum, während ich die Couch bezog, ein Kissen darauflegte und die Decke ausschüttelte.
    Ich beauftragte den jungen Rosenbaum damit, sich um Aminat zu kümmern. Wenn er schon hier war, dann sollte er nicht tatenlos herumsitzen.
    Ich fuhr die beiden Kranken besuchen. Vorher lief ich die ganze Stadt ab auf der Suche nach Vitaminen. Normalerweise hatte das genauso viel Sinn, wie in einem Komposthaufen nach Gold zu graben. Aber ich bat Gott um Hilfe, und ich bekam sie auch. Am Ende war ich schweißgebadet, hatte aber ein Netz Orangen und ein Kilo Trauben aufgetrieben, dazu ein paar Zeitungen.
    Für Sulfia hatte ich noch Unterwäsche dabei, zwei gebügelte Nachthemden, einen Bademantel und eine Zahnbürste. Für den alten Rosenbaum hatte ich Sergejs alten Trainingsanzug eingepackt, den er bei seinem Auszug liegen gelassen hatte. Da musste sich der alte Rosenbaum eben die Ärmel und die Hosenbeine hochkrempeln. Die alte Rosenbaum war ja nicht in der Lage, sich um ihren Mann zu kümmern, also musste mal wieder ich alles tun.
    Erst besuchte ich Sulfia, die in einem Zehn-Bett-Zimmer lag und bei meinem Anblick tapfer zu lächeln versuchte. Sie hing an einem Tropf und hatte rot geweinte Augen. Ich packte meine Mitbringsel aus und räumte ein bisschen in ihrem Nachttisch auf. Ich ging zum Waschbecken, um das Obst zu waschen, das aus dem Süden und daher voller Keime war. Ich spülte es gründlich unter fließendem Wasser, dann ging ich zu den Krankenschwestern, um von ihnen kochendes Wasser zu verlangen, mit dem ich dasObst noch mal überbrühen wollte. Natürlich wollten sie mir das nicht geben und meinten, wir seien hier nicht in einem Restaurant, aber ich erinnerte sie daran, dass Sulfia eine Kollegin war und dass Gott alles sah. Dann hatte ich mein Wasser und machte das Obst hygienisch sauber.
    Ich stellte alles auf den Nachttisch und schob Sulfia eine Traube zwischen die Lippen. Ich schälte eine Orange, zerteilte und enthäutete sie und zupfte die weißen Fäden herunter. Ich steckte die Stücke nacheinander unerbittlich in Sulfias Mund.
    »Gründlich kauen«, sagte ich. Ihre Augen waren müde, und der Orangensaft floss das Kinn herunter. Ich wischte die Spuren mit meinem Taschentuch weg. »Ich komme morgen wieder«, sagte ich und ging weiter zum alten Rosenbaum in die chirurgische Klinik. Aber man ließ mich nicht zu ihm. Er war immer noch nicht ansprechbar, die Delle in seinem Kopf war offenbar ziemlich tief gewesen. Ich schenkte den Krankenschwestern ein paar Orangen, damit sie sich gut um den alten Rosenbaum kümmerten, und fuhr nach Hause.
    Wir richteten uns ein. Es stellte sich heraus, dass Rosenbaum viele Breie kochen konnte. Nicht nur Haferbrei, sondern auch Hirsebrei und Buchweizenbrei, am Wochenende auch mal Grießbrei oder Reisbrei. Außerdem bügelte er Aminats Schuluniform. Die alte Rosenbaum saß viel vor dem Fernseher und erzählte dabei, dass Fernsehen die Leute dumm mache. Ich schimpfte mit Sulfia, als ich herausbekam, dass sie alle Trauben ihren Zimmernachbarinnen geschenkt hatte. Sulfia und Rosenbaum durften fast gleichzeitig nach Hause.
    Das heißt, in der Wohnung wurde es plötzlich sehr eng.
    Die Rosenbaums machten keine Anstalten weiterzuziehen. Ich fragte den jungen Rosenbaum, ob sie noch mehr Angehörige oder Freunde hatten. Er schüttelte traurig den Kopf.
    Sulfia kam, blass bis zur Durchsichtigkeit, zu Hause an. Sie bewegte sich mit kleinen, leisen Schritten und hielt sich dabei den Bauch, als hätte sie Angst, das Kind würde aus ihr herausfallen. Ich sagte ihr, sie soll mehr Orangen essen. Vor und nach der Arbeit und in der Mittagspause versuchte ich, Orangen zu kaufen, inzwischen war ich kaum mehr an meinem Arbeitsplatz.
    Dann bekam ich unerwartete Schützenhilfe in Person der alten Rosenbaum. Jedes Mal, wenn ich nicht da war, übernahm sie meine Rolle und trug Sulfia Orangenspalten, Pantoffeln und eine Decke hinterher, ermahnte sie, sich hinzulegen, sich nicht zu bücken, nichts zu heben, was schwerer war als eine Zahnbürste, und nicht am Fenster zu stehen, wo es zog. Dreimal am Tag wies die Rosenbaum Sulfia an, ins Bett zu gehen und sich gut

Weitere Kostenlose Bücher