Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
widmete mich weiter dem Fußboden.
Jetzt blieb sie in meiner Nähe. Als ich ins Schlafzimmer ging, brachte sie mir den Staubsauger. Ich stöpselte ihn ein und begann, unter dem Bett zu saugen. Jetzt verstand ich, dass es ihr Bett war. Ich verstand bloß nicht, warum sie mich hierher gelockt hatte. Ich hätte keine fremden Leute in meinem Schlafzimmer geduldet, selbst wenn ich zu faul gewesen wäre, dort aufzuräumen.
Es knisterte in der Röhre – der Staubsauger war auf Dreck gestoßen. Ich fuhr damit um die Frau herum und saugte in den Ecken. Dann blickte ich zur Decke und entdeckte ein paar Spinnweben. Die saugte ich ebenfalls ein. Ich vergaß die Zeit und hielt erst inne, als sie mir von hinten mit dem Zeigefinger auf die Schulter klopfte und»Genug! Genug!« sagte. Offenbar sagte sie immer alles doppelt. Mich störte es nicht, wenn es ihr half.
Ich nickte, streifte mir die Gummihandschuhe von den Händen, wusch sie aus und hängte sie über den Rand des Putzeimers. Ich zog meine schönen Schuhe wieder an, ging ins Bad, das ich eben geputzt hatte, und machte mich wieder frisch. Als ich herauskam, stand die Frau mit einem Umschlag da.
»Vielen Dank! Vielen Dank!« sagte sie.
Ich nahm den Umschlag, nickte und steckte ihn ein. Dann ging ich zur Eingangstür. Die Frau holte mich ein. »Nächsten Dienstag wieder? Nächsten Dienstag wieder?« fragte sie. Ich sah sie über die Schulter an. »Okay. Okay«, sagte ich.
Auf der Straße öffnete ich den Umschlag und sah hinein. Dort waren drei Zehnmarkscheine. Zehn Mark für eine Stunde Arbeit. Ich begann zu rechnen. 80 Mark bei acht Stunden Arbeit am Tag. 560 Mark in der Woche – das war ein Anfang.
Ich fuhr mit dem Bus nach Hause. Meine Fahrkarte zahlte ich selber. Ich fühlte mich wie eine Königin.
Dieter sagte, mein Beruf hieß jetzt »Putzfrau«. Ich fand, das Wort hatte etwas Fürstliches. Dieter sagte, er werde schauen, dass ich noch mehr Aufträge bekomme. Ich nickte majestätisch.
Er sagte, ich solle möglichst meinen Mund halten, weil ich keine Steuern zahlte. Aber ich wusste sowieso nicht, wem ich irgendwas hätte erzählen sollen. Ich kannte ja niemanden.
Was schon immer meine Eigenart war: Ich glänzte in allem, was ich tat.
Sauber machen konnte ich natürlich. Ich hatte allerdings noch niemals Geld dafür bekommen. Mir wurde klar, dass man auch zum Putzen Talent brauchte. Ich hatte es zweifelsohne.
Man brauchte sich nur anzusehen, wie ich arbeitete. Ich betrat ein Haus, und ich freute mich, wenn es dreckig war. Ich betrat inzwischen viele Häuser. Die erste Frau, die mich um die Reinigung ihres Hauses gebeten hatte, gab meine Nummer nämlich sehr schnell an ihre Freundinnen weiter, die auch nicht selber aufräumen konnten. Ich lernte mehr Häuser und Wohnungen kennen. Ich hatte inzwischen einen Stadtplan im Kopf. Ich orientierte mich daran: Da war die Toilette, in der es so schlecht roch, und da war die Küche, in der ich rote Spritzer von der Wand wischte.
Ich hatte das Gefühl, diese ganzen Wohnungen und Häuser gehörten mir. Sie warteten darauf, dass ich kam und sie endlich sauber machte. Ich freute mich über Spinnweben, Brotkrümel und Schlieren auf den Spiegeln. Ich besaß inzwischen richtige Arbeitskleidung: Gummihandschuhe, Gummischuhe und einen figurbetonten blauen Overall, den mir einer der Wohnungsbesitzer geschenkt hatte, um meine Stretchhose zu schützen.
Die Leute, für die ich sauber machte, taten mir ein bisschen leid. Sie waren wie die Kinder – nicht in der Lage, sich um sich selber zu kümmern. Ohne mich wären sie nämlich gezwungen, in einer Badewanne zu baden, in der das Wasser stand, weil der Abfluss mit lauter Haaren verstopft war.
Ich begann, meinen Wirkungskreis ausdehnen. Ich putzte nämlich nicht nur brillant, sondern auch sehr schnell. Dann hatte ich Zeit für ein paar Extras. Ich wischte nicht nur denKühlschrank aus, sondern sortierte auch die Lebensmittel. Das, was bald verfallen würde, stellte ich nach vorn. Das Verschimmelte und Verdorbene warf ich weg. Wenn ich eine geöffnete Flasche Wein im Kühlschrank fand, dann kippte ich sie aus.
Manchmal nahm ich ein paar Lebensmittel mit, wenn ich das Gefühl hatte, sie waren gerade noch gut, würden hier aber sowieso nicht mehr gegessen werden. Ich nahm Äpfel aus Obstschalen mit, Tütchen mit Studentenfutter, wenn sie kurz vor dem Verfallsdatum waren, Vitamintabletten auch.
Das liebte ich nämlich an Deutschland: Dass man hier so viele Vitamine kaufen konnte und
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