Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Kilometer entfernten Hamburg.
Herr Hofmann hatte seine Familie vor sieben Jahren verlassen. Und zwar nachdem ihn seine Frau ganz klischeehaft im Büro mit der Sekretärin erwischt hatte. Mit dieser war er mittlerweile verheiratet. Die beiden waren vor fünf Jahren nach Hamburg gezogen.
Von Frau Ehring wusste ich, dass sowohl die Trennung des Ehepaars Hofmann als auch die Jahre danach für alle Beteiligten sehr anstrengend gewesen waren. Herr und Frau Hofmann hatten sich so sehr zerstritten, dass sich mehrere Gerichtsverfahren über Jahre hingezogen hatten. Die Kontakte zwischen den Mädchen und ihrem Vater waren schwierig gewesen. Direkt nach der Trennung hatten sie zunächst regelmäßig stattgefunden, aber nach einigen Monaten hatte Herr Hofmann immer wieder wegen Geschäftsreisen absagen müssen. Allerdings hatten Lisa und Maria ihn in genau dieser Zeit mit seiner Sekretärin im Eiscafé, knutschend im Auto an einer Ampel und im Einkaufszentrum gesehen.
Frau Ehring war schon damals für die Familie zuständig gewesen. Wir trafen uns in ihrer Mittagspause, und sie erzählte: »Ich kann mich gut an die Familie erinnern. Die Mädchen waren so nett. Und nachher so verzweifelt. Beide wollten so unbedingt vom Vater wahrgenommen und geliebt werden, aber ich denke, das war schon während der Ehe nicht so gelaufen, wie sie gehofft hatten. Na ja, und dann ist dieser Armleuchter noch nicht mal dazu in der Lage, es geschickt anzustellen, wenn er seine Kinder für seine neue Flamme versetzt. Wie kann man denn seinen Kindern wegen einer angeblich unaufschiebbaren Geschäftsreise absagen und dann turtelnd mit seiner Neuen in der gleichen Stadt rumhängen? So viel Blödheit gehört doch verboten!«
Frau Ehring nahm mal wieder kein Blatt vor den Mund.
»Und danach hat er sich noch nicht mal sonderlich bemüht, sondern den Kontakt abgebrochen! Weil der Herr beleidigt war! Der hat ernsthaft seinen Kindern vorgeworfen, dass sie ihn nicht darauf angesprochen hatten, als sie ihn das erste Mal mit seiner Neuen gesehen hatten. Ich war damals dabei bei diesem Familiengespräch. Der hat ganz ernsthaft gesagt, dass er das nicht in Ordnung gefunden hätte, dass die beiden nicht gleich was gesagt hätten, weil … Und jetzt kommt’s! Weil er dann nämlich beim nächsten Mal besser aufgepasst hätte! Das war seine Begründung! Da ist sogar mir zunächst nichts mehr eingefallen. Er hat dann einen auf beleidigte Leberwurst gemacht und gesagt, er bräuchte jetzt erst mal Abstand und würde sich wieder melden. Und damit hat er die Mädchen, ihre Mutter und mich sitzenlassen und ist gegangen. Das ist doch einfach unfassbar! Da könnte ich mich so drüber aufregen!!«
»Ich habe den Eindruck, das tun Sie gerade …«
»Stimmt. Und wissen Sie was? Zu Recht! So ein Hornochse!!
Nach acht oder neun Monaten hat er mich angerufen und gesagt, ich soll dafür sorgen, dass jetzt wieder Kontakte stattfinden. So einer ist das! Also, den hätte ich …! Aber die Mädchen hingen ja irgendwie an ihm. Mein Gott, war das immer ein Kampf. Sie wollten ihm gefallen, und er hat sie abblitzen lassen.«
Frau Ehring hatte trotz ihrer offensichtlichen Abneigung Herrn Hofmann gegenüber immer wieder versucht, für funktionierende Umgangskontakte zu sorgen und positiv auf den Vater einzuwirken, war aber letztendlich gescheitert. Er war ein intelligenter Mann. Aber im Zusammenhang mit seinen Kindern war Herr Hofmann gefühlsarm und egoistisch. Alle Gespräche, seien sie im Einzelkontakt, als Paargespräche oder in der Familienrunde geführt worden, hatten keinen nennenswerten dauerhaften Effekt gezeigt. Kurze Phasen des Bemühens wurden stets abgelöst von erneuter Rücksichtslosigkeit und einem deutlichen Mangel an Interesse.
Vor drei Jahren schließlich war der Kontakt zwischen Herrn Hofmann und seinen Töchtern endgültig eingeschlafen. Es hatte noch vereinzelte Treffen gegeben, wenn Herr Hofmann ohnehin beruflich in seiner Heimatstadt zu tun hatte, aber diese verliefen für alle Beteiligten unbefriedigend. Herr Hofmann fand, dass seine Töchter netter zu ihm sein sollten. Maria und Lisa fühlten sich weder gewollt noch geliebt. Sie gingen mit gemischten Gefühlen zu den Treffen und kamen ernüchtert und traurig zurück.
Frau Ehring legte ihre Hand auf meinen Arm. »Frau Seeberg, wenn Herr Hofmann Lisa nun in dieser Situation aus ihrem sozialen Umfeld reißt … Gegen ihren Willen … Die Kleine geht kaputt!«
Ja, damit hatte sie womöglich
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