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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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wahrscheinlich einer der am wenigsten aufrichtigen Männer war, die er je kennengelernt hatte, aber er spielte das Spiel mit, aus eigenen unaufrichtigen Gründen. »Das ist mir eine große Hilfe, Sir. Ich selbst habe Mrs. Gillespie ja nicht gekannt, und es ist wichtig für mich, mir ein Bild von ihr machen zu können. Würden Sie sagen, dass ihr ein Selbstmord zuzutrauen war?«
    »Aber absolut. Und ich würde ihr auch das Stanley-Messer zutrauen. Sie genoss dramatische Abgänge ebenso sehr wie große Auftritte. Vielleicht sogar noch mehr. Wenn sie uns drei jetzt sieht, wie wir uns über ihren Tod den Kopf zerbrechen, wird sie wahrscheinlich juchzen vor Wonne. Als sie noch lebte, wurde über sie geredet, weil sie so ein Biest war, aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie jetzt, wo sie tot ist, über sie geredet wird. Sie würde jeden Moment genießen wie einen spannenden Roman«.
    Cooper wandte sich stirnrunzelnd an Sarah. »Sind Sie auch dieser Meinung, Dr. Blakeney?«
    »Es entbehrt nicht einer gewissen absurden Logik. Sie war tatsächlich so.« Sarah überlegte einen Moment. »Aber sie glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod, oder höchstens an die Würmervariante, was heißt, dass wir alle Kannibalen sind.« Sie lächelte über Coopers Ausdruck des Widerwillens. »Ein Mensch stirbt und wird von den Würmern gefressen, die Würmer werden von den Vögeln gefressen, die Vögel von den Katzen, die Katzen defäkieren aufs Gemüse, und wir essen das Gemüse. Oder eine Variation, die Ihnen besser gefällt.« Sie lächelte wieder. »Tut mir leid, aber das war Mathildas Ansicht über den Tod. Weshalb hätte sie ihren letzten großen Abgang vergeuden sollen? Ich glaube wirklich, sie hätte ihn so lange wie möglich hinausgezögert und dabei so vielen Menschen wie möglich die Hölle heiß gemacht. Nehmen Sie zum Beispiel den Videofilm. Weshalb wollte sie Musikuntermalung, wenn er erst nach ihrem Tod gezeigt werden sollte? Sie wollte ihn selbst ansehen, und wenn jemand sie dabei überrascht hätte, um so besser. Sie wollte ihn als Stock benutzen, um damit Joanna und Ruth zu prügeln. Habe ich recht, Jack?«
    »Wahrscheinlich. Du hast ja meistens recht.« Er sprach ohne Ironie. »Von welchem Videofilm sprechen wir?«
    Sie hatte vergessen, dass er den Film nicht gesehen hatte. »Von Mathildas postumer Botschaft an ihre Familie«, erklärte sie mit einem Kopfschütteln. »Du wärst bestimmt hingerissen gewesen. Sie sah ungefähr aus wie Cruella De Vil in Einhunderteins Dalmatiner. Zwei breite schwarzgefärbte Sträh nen rechts und links im wei ßen Haar, scharfe Nase und schmaler Mund. Prächtig zu malen.« Sie zog die Brauen zusammen. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass du sie kanntest?«
    »Du hättest dich nur eingemischt.«
    »Wie denn?«
    »Du hättest schon einen Weg gefunden«, gab er zurück. »Ich kann sie nicht malen, wenn du mir deine Interpretationen von ihnen ins Ohr blökst.« Er sprach in künstlichem Falsett. »Aber ich mag sie, Jack. Sie ist wirklich sehr nett. Sie ist nicht halb so schlimm wie alle behaupten. Sie hat ein ganz weiches Herz.«
    »So rede ich nie«, sagte Sarah wegwerfend.
    »Du solltest dir ab und zu mal zuhören. Die dunkle Seite der Menschen macht dir Angst, darum verschließt du einfach die Augen vor ihr.«
    »Ist das schlimm?«
    Er zuckte die Achseln. »Nicht, wenn man ohne Leidenschaft existieren möchte.«
    Sie betrachtete ihn einen Moment lang gedankenvoll. »Wenn Leidenschaft Konfrontation heißt, dann ja, dann ziehe ich eine Existenz ohne Leidenschaft vor. Ich habe sämtliche Ehekräche meiner Eltern mitgemacht, bis sie sich endlich scheiden ließen. Ich würde einiges auf mich nehmen, um diese Erfahrung nicht wiederholen zu müssen.«
    Die Augen in seinem m üden Gesicht glitzerten. »Dann hast du vielleicht vor deiner eigenen dunklen Seite Angst. Schwelt da vielleicht ein Feuer, das darauf lauert, ungezügelt hochzuschießen? Sitzt da ein Schrei der Frustration, der dein wackliges Kartenhaus zum Einsturz bringen würde? Dann bete lieber um sanfte Winde, mein Engel, sonst wirst du nämlich feststellen, dass du in einem Wolkenkuckucksheim lebst.«
    Sie antwortete nicht, und es wurde still im Raum. Cooper, der von Faszination gebannt auf seinem Stuhl sa ß, ging der Gedanke durch den Kopf, dass Jack Blakeney ein schrecklicher Mann war. Verschlang er jeden so wie er seine Frau verschlang? Ein Schrei der Frustration, der dein wackliges Kartenhaus zum Einsturz bringen würde. Cooper

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