Die Schandmaske
auszudrücken. »Aber ohne ihn auch, könnte ich mir vorstellen? Er läss t eine ziemliche Leere zurück.«
Sarah wandte sich von ihm ab, um zum Fenster hinauszusehen. Sie konnte nat ürlich gar nichts erkennen - es war mittlerweile sehr dunkel geworden -, aber Cooper konnte im Glas so deutlich wie in einem Spiegel ihr Bild sehen. Er hätte besser daran getan, dachte er, seinen Mund zu halten, aber die Blakeneys hatten eine Offenheit, die ansteckend war.
»Er ist nicht immer so«, sagte Sarah. »Solche Freimütigkeit ist selten bei ihm, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie Ihnen oder mir galt.« Sie schwieg, als ihr bewusst wurde, dass sie ihre Gedanken laut aussprach.
»Ihnen natürlich.«
Sie h örten, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. »Warum natürlich ?«
»Ich habe ihn nicht verletzt.«
Ihre Blicke trafen sich im Glas gespiegelt.
»Das Leben hat schon seine Tücken, nicht wahr, Sergeant?“
Joanna wird allm ählich unersättlich in ihren finanziellen Forderungen. Sie behauptet, es sei meine Schuld, dass sie unfähig ist, eine Arbeit zu finden; meine Schuld, dass ihr Leben so leer ist; meine Schuld, dass sie Steven heiraten musste; und auch meine Schuld, dass sie ein Kind auf dem Hals hatte, das sie nicht wollte. Ich habe es mir versagt, sie darauf hinzuweisen, dass sie gar nicht schnell genug mit dem Juden ins Bett kriechen konnte und dass es die Pille schon Jahre vor ihrer Schwangerschaft gab. Ich war versucht, ihr aufzuzählen, durch welche Höllen ich gegangen bin -Missbrauch und Vergewaltigung, Ehe mit einem Trinker und Perversen, eine zweite Schwangerschaft, als ich kaum die erste verkraftet hatte, der Mut, den es brauchte, um sich aus einem Abgrund der Hoffnungslosigkeit heraus zu kämpfen, wie sie ihn sich nicht vorstellen kann. Ich habe es natürlich nicht getan. Sie erschreckt mich mit ihrer eisigen Abneigung gegen mich und Ruth schon genug. Mir graut bei dem Gedanken, wie sie reagieren würde, wenn sie je erfahren sollte, dass Gerald ihr Vater war.
Sie behauptet, ich sei geizig. Nun, vielleicht bin ich das. Geld ist mir immer ein guter Freund gewesen, und ich h üte es, wie andere ihre Geheimnisse hüten. Ich musste ja weiß Gott meine ganze Schläue ausspielen, um es zu erwerben. Nicht wir sind unseren Kindern etwas schuldig, sondern sie uns. Das einzige, was ich am Sterben bedauere, ist, dass ich Sarahs Gesicht nicht sehen werde, wenn sie erfährt, was ich ihr hinterlassen habe. Das wäre, glaube ich, sehr amüsant. Der alte Howard hat mir heute Hamlet zitiert: » Wir gehen ein kleines Fleckchen zu gewinnen, das keinen Vorteil als den Namen bringt.« Ich lachte - er kann manchmal ein höchst amüsanter alter Kerl sein - und antwortete aus dem Kaufmann von Venedig: »Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt...“
7
Violet Orloff ging zu ihrem Mann, der im Wohnzimmer sa ß und sich im Fernsehen die Frühabendnachrichten ansah. Sie drehte die Lautstärke herunter und stellte sich mitten vor den Bildschirm.
»Ich wollte mir das ansehen«, sagte er mit mildem Vorwurf.
Sie achtete nicht darauf. »Diese grässlichen Frauen von nebenan haben sich gegenseitig angekeift wie die Fischweiber, und ich konnte jedes Wort verstehen. Wir hätten damals doch auf den Gutachter hören und auf einer schalldichten Zwischenwand bestehen sollen. Wie soll denn das werden, wenn das Haus an Hippies oder an eine Familie mit kleinen Kindern verkauft wird? Da werden wir hier ja wahnsinnig von dem Krach.«
»Abwarten«, sagte Duncan und faltete die feisten Hände über seinem ausladenden Bauch. Er konnte nicht verstehen, wieso das Alter, das ihm heitere Gelassenheit gebracht hatte, Violet nichts als aggressive Frustration beschert hatte. Er fühlte sich schuldig deswegen. Er wusste, er hätte nie mit ihr hierher zurückkehren sollen, wo sie Wand an Wand mit Mathilda hatten leben müssen. Es war, als hätte man ein Gänseblümchen neben eine Orchidee gepflanzt.
Sie sch üttelte unwirsch den Kopf. »Manchmal kannst du einen wirklich wütend machen. Wenn wir abwarten, wird es zu spät sein, um etwas zu unternehmen. Ich finde, wir sollten verlangen, dass etwas getan wird, bevor das Grundstück verkauft wird.«
»Hast du vergessen«, erinnerte er sie freundlich, »dass wir uns das Haus nur leisten konnten, weil eben kein Schallschutz vorhanden war und Mathilda um fünftausend Pfund herunterging, als der Gutachter sie darauf aufmerksam machte? Wir können gar nichts verlangen.«
Aber Violet war
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