Die Schandmaske
sehr bewundern, wie er selbst sich bewundert«, gab Sarah trocken zurück. »Ich hoffe, es ist bitter kalt da draußen. Ich habe jahrelang für seine Kunst gelitten.«
»Ich habe ihm einen Paraffinofen gebracht«, sagte Joanna stirnrunzelnd. Die Erinnerung ärgerte sie offensichtlich.
Sarah h ätte am liebsten gelacht. »Und - war er dankbar?«
»Nein. Er hat gesagt, ich soll ihn vor der Tür stehenlassen.« Sie starrte zum Fenster hinaus. »Er ist ein schwieriger Mensch.«
»Ja, das ist er«, stimmte Sarah zu. »Er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass andere Menschen ein zartes Ich haben, das ab und zu Streicheleinheiten braucht. Das heißt, dass man einfach auf seine Liebe vertrauen muss, wenn man eine Beziehung mit ihm will.« Sie lachte leise. »Und das Vertrauen hat die gemeine Angewohnheit, einen genau in dem Moment zu verlassen, wenn man es am meisten braucht.«
Joanna sagte lange Zeit gar nichts. »Haben Sie mit meiner Mutter auch so gesprochen?« fragte sie dann.
»Wie?«
Joanna suchte nach den richtigen Worten. »So - ungezwungen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine« - ein gequälter Ausdruck trat in ihre Augen -, »hatten Sie keine Angst vor ihr?«
Sarah sah auf ihre H ände hinunter. »Ich brauchte keine Angst vor ihr zu haben, Mrs. Lascelles. Sie konnte mir nichts anhaben, da sie ja nicht meine Mutter war. Es gab keine kindlichen Bindungen, die sie hätte ausbeuten können; keine gemeinsamen Familiengeheimnisse, die mich für ihre Sticheleien anfällig gemacht hätten; keine Schwächen aus der Kindheit, auf die sie jederzeit h ätte zurückgreifen können, um mich kleinzumachen. Hätte sie dergleichen versucht, so wäre ich gegangen. Ich habe das jahrelang mit meiner eigenen Mutter durchgemacht. Von einer Fremden hätte ich so was nie hingekommen.«
»Ich habe sie nicht getötet, falls Sie gekommen sein sollten, um das herauszufinden.«
»Ich bin gekommen, weil ich sehen wollte, ob sich eine Brücke schlagen lässt.«
»Zu Ihrem Nutzen oder zu meinem?«
»Zum beiderseitigen, hoffte ich.«
Joannas L ächeln war entschuldigend. »Aber ich habe durch einen freundschaftlichen Umgang mit Ihnen nichts zu gewinnen, Dr. Blakeney. Das hieße ja, dass ich zugebe, dass meine Mutter recht hatte, und das kann ich nicht, wenn ich das Testament gerichtlich anfechten will.«
»Ich hatte gehofft, Sie davon zu überzeugen, dass es Alternativen gibt.«
»Die alle von Ihrer Mildtätigkeit abhängen.«
Sarah seufzte. »Ist das so schlimm?«
»Aber ja. Ich habe vierzig Jahre für mein Erbe verbüßt. Sie ein einziges. Warum sollte ich bei Ihnen betteln gehen müssen?«
Ja, warum eigentlich? Sollte eine Gerechtigkeit darin liegen,
konnte Sarah sie nicht erkennen. »Hat es Sinn, dass ich noch einmal herkomme?«
»Nein. Es würde alles nur schlimmer machen.« Sarah lächelte trübe. »Kann es denn noch schlimmer werden?« »O ja«, antwortete Joanna mit einem verzerrten kleinen Lächeln. »Ich könnte anfangen, Sie zu mögen.« Sie winkte nachlässig in Richtung zur Tür. »Sie finden ja hinaus.«
Sergeant Cooper stand mit nachdenklicher Miene bei Sarahs Auto, als sie aus dem Haus kam. »War das klug, Dr. Blakeney?« fragte er, als sie näher kam.
»War was klug?«
»Sich in die Höhle der Löwin zu wagen.«
Sie betrachtete ihn mit freundlicher Erheiterung. »Ob klug oder nicht, Sergeant, es war auf jeden Fall heilsam. Meine Befürchtungen sind zerstreut worden.«
Er machte ein erfreutes Gesicht. »Dann haben Sie sich mit Ihrem Mann ausgesprochen?«
Sie sch üttelte den Kopf. »Jack ist eine lebenslängliche Strafe, keine Beunruhigung.« Ihre dunklen Augen blitzten mutwillig. »Vielleicht hätte ich genauer zuhören sollen, als meine Mutter ihre Prophezeiungen für unsere Zukunft machte.«
» Schnell gefreit, lange bereut ?« fragte er.
»Eher nach dem Motto Wer mit dem Teufel speist, braucht einen langen Löffel . Worauf ich natürlich sagte: Der Teufel hat die schönsten Lieder .« Sie machte ein wehmütiges Gesicht. »Aber versuchen Sie mal Hey, Jude und Twentyfour hours from Tulsa zu vergessen. Sie haben genau wie Jack die unschöne Angewohnheit, einem im Gedächtnis zu bleiben.«
Er lachte. »Ich hab's mehr mit White Christmas , aber ich weiß, was Sie meinen.« Er schaute zum Haus. »Wenn also nicht Ihr Mann Ihnen Ihre Ruhe wiedergegeben hat, dann muss es Mrs. Lascelles gewesen sein. Heißt das, dass sie sich entschlossen hat, das Testament zu akzeptieren?«
Wieder sch üttelte Sarah
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