Die Schandmaske
Minuten Zeit für mich?« Cooper lehnte sich an den Türpfosten des Sommerhauses und zündete sich eine Zigarette an. Jack gönnte ihm nur einen kurzen Blick, dann wandte er sich wieder sei ner Arbeit zu. »Wenn ich sage, dass ich beschäftigt bin, gehen Sie dann weg?«
»Nein.«
Mit einem Achselzucken klemmte sich Jack den Pinsel zwischen die Z ähne, nahm aus dem Glas auf der Staffelei einen gröberen und gab damit der weichen Farbe, die er soeben aufgetragen hatte, Struktur. Cooper rauchte seine Zigarette und sah ihm zu.
»Okay«, sagte Jack schließlich, steckte den Pinsel ins Terpentinglas und drehte sich nach Cooper um. »Was gibt's?«
»Wer war Jago?«
Jack grinste. » Sie sind doch nicht hergekommen, um mich das zu fragen.«
»Da haben Sie recht, aber ich möcht's trotzdem wissen.«
»Er ist eine Figur aus Othello. Ein Machiavelli, der die Gefühle anderer manipulierte, um sie zu zerstören.«
»War Othello der schwarze Bursche?«
Jack nickte. »Jago trieb ihn in eine derart blinde Eifersucht hinein, dass er erst seine Frau Desdemona tötete und sich dann selbst das Leben nahm, als er erfuhr, dass alles, was Jago über sie gesagt hatte, gelogen war. Es ist eine Geschichte von blinder Leidenschaft und verratenem Vertrauen. Sie sollten sie lesen.«
»Vielleicht werd ich das tun. Wie hat Jago es angestellt, Othello eifersüchtig zu machen?«
»Er nutzte Othellos innere Unsicherheit aus, indem er ihm weismachte, Desdemona hätte eine Liebesbeziehung zu einem jüngeren, attraktiveren Mann. Othello glaubte ihm, weil er genau das am meisten fürchtete.« Jack streckte seine langen Beine aus. »Ehe Othello sich in sein Schwert stürzte, bezeichnete er sich als einen, der nicht klug, doch zu sehr liebte Der Ausspruch wird heute von Leuten, die zwar das Zitat kennen, aber nicht die Geschichte, falsch angewendet. Sie beziehen das nicht klug auf die Wahl der Gefährtin. Tatsächlich aber spricht Othello von seiner Torheit, der Frau nicht vertraut zu haben, die er so sehr liebte. Er konnte einfach nicht glauben, dass auch sie ihn liebte.«
Cooper trat seinen Zigarettenstummel aus. »Eine ganz aktuelle Geschichte also«, murmelte er mit einem Blick auf den Schlafsack. »Ihre Frau liebt im Moment auch nicht allzu klug, aber Sie geben ihr auch wenig Anlass zu was andrem. Finden Sie nicht, dass Sie ein bisschen grausam sind, Sir?«
Der Mann wurde Jack immer sympathischer. »Nicht halb so grausam wie ich sein sollte. Warum haben Sie mich nach Jago gefragt?«
»Ihre Frau hat ihn erwähnt. Sie hat mich mit Jago in einen Topf geworfen und meinte, im Vergleich zu mir sei Mrs. Gillespie eine Julia gewesen.« Er l ächelte auf seine liebenswürdige Art. »Allerdings nachdem ich ihr gesagt hatte, dass Sie eine sehr erstrebenswerte Partie für eine andere abgeben würden, wenn sie vorzeitig sterben sollte.« Er nahm sich eine frische Zigarette, betrachtete sie einen Moment und steckte sie wieder in die Packung. »Aber ich sehe nicht, was Mrs. Gillespie mit Julia gemein haben soll. Mir käme da eher König Lear in den Sinn, wenn ich recht habe und er derjenige war, der von seiner Tochter hintergangen wurde.«
»Seinen Töchtern«, korrigierte Jack. »Zwei haben ihn hintergangen und verstoßen. Die dritte versuchte, ihn zu retten.« Er sah Cooper nachdenklich an. »Sie haben also Joanna auf dem Kieker, oder? Wenn ich Ihre Überlegungen richtig verstanden habe, hat Joanna ihre Mutter getötet, um zu erben, entdeckte dann zu ihrem Entsetzen, dass Mathilda inzwischen ihr Testament geändert hatte, und machte mir dann sofort schöne Augen, um mich Sarah, die sie bei nächster Gelegenheit um die Ecke zu bringen gedenkt, abspenstig zu machen und als Ehemann heimzuführen.« Er lachte. »Oder vielleicht glauben Sie ja auch, dass wir beide unter einer Decke steckten. Das ist wirklich eine tolle Verschwörungstheorie.«
»Es sind schon seltsamere Dinge vorgekommen.«
Jack lockerte seine steifen Schultern. »Mir persönlich gefällt Joannas Interpretation besser. Sie ist vernünftiger.«
»Mrs. Lascelles beschuldigt Ihre Frau.«
»Ich weiß. Eine saubere kleine Theorie. Sie hat nur einen Makel - Sarah hätte so was nie getan. Aber man kann es Joanna nicht übelnehmen, dass sie das nicht sieht. Sie ist ja blind vor Eifersucht.«
Cooper runzelte die Stirn. »Eifersucht Ihretwegen?«
»Lieber Gott, nein.« Jack lachte wieder. »Sie mag mich ja nicht mal besonders. Sie hält mich für homosexuell, weil sie sich meine mangelnde
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